Leitsatz (amtlich)
1. Ist die dem Bahnbetrieb dienende Signalanlage mit einer Verkehrszeichenanlage gekoppelt und strahlt diese „feindliches Grün” aus, so haftet der Bahnbetriebsun-ternehmer nicht nach § 1 HaftPflG für dadurch entstehende Schäden.
2. In einem solchen Fall handelt es sich nicht um einen Schaden, der durch die spezifische Gefahr des Bahnbetriebs verursacht wird. Er fällt deshalb nicht in den Schutzbereich des Haftpflichtgesetzes.
Normenkette
HaftpflG § 1; BGB § 823
Verfahrensgang
LG Bonn (Aktenzeichen 15 O 213/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Bonn vom 8.2.2002 – 15 O 213/01 – abgeändert und wie folgt neugefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung ist begründet.
Die angefochtene Entscheidung kann keinen Bestand haben. Der Klägerin steht gegenüber der beklagten Verkehrsgesellschaft wegen des Unfallereignisses am 27.1.2000 unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Schadensersatz zu.
I. Es kann offenbleiben, ob der Verkehrsunfall auf einer fehlerhaften Schaltung der Verkehrszeichenanlage (VZA) an der Kreuzung M. Straße/S. Straße beruht (Ausstrahlen sog. feindlichen Grüns) beruht. Selbst wenn dies zu Gunsten der Klägerin unterstellt wird, so haftet die Beklagte für die Unfallfolgen gleichwohl nicht.
1. Die Beklagte ist nicht gem. § 1 Abs. 1 HaftPflG für die Unfallfolgen verantwort-lich. Nach dieser Vorschrift haftet der Betriebsunternehmer für Schäden, die bei dem Betrieb der Schienenbahn entstanden sind.
Soweit die Beklagte allerdings geltend macht, sie hafte bereits deshalb nicht, weil sie nicht als Betriebsunternehmerin anzusehen sei, trifft dies nicht zu. Wer Be-triebsunternehmer ist, richtet sich nach der tatsächlichen betrieblichen Gestaltung (vgl. etwa: BGH v. 23.4.1985 – VI ZR 154/83, MDR 1986, 136 = VersR 1985, 764; Filthaut, Haftpflichtgesetz, 5. Aufl., § 1 Rz. 32 m.w.N.). Entscheidend ist danach, wer eine Bahn und deren Anlagen für eigene Rechnung benutzt und wer über den Betrieb die tatsächliche Verfügung hat. Wie sich aber aus der nach Maßgabe des § 5 EKrG zwischen der Beklagten und der Stadt N. einerseits und dem Landschaftsverband S. andererseits getroffenen Vereinbarung vom 27.6./6.7./12.7.1984 ergibt, obliegt der Beklagten die Unterhaltung der gesamten BÜSTRA-Anlage (vgl. § 6 der Vereinbarung). Damit ist sie aber ihrer Verfügungsgewalt unterworfen und somit auch Betriebsunternehmerin.
Es genügt jedoch nicht, dass der Betriebsunternehmer den Unfall verursacht hat. Vielmehr muss sich der Unfall bei dem Betrieb der Bahn ereignet haben. Durch diese Einschränkung scheiden von vornherein Unfälle aus, die anderen Unternehmensteilen zuzurechnen sind. Dem Betrieb zuzuordnen ist indessen der verkehrliche (bahntechnische) Teil des Bahnunternehmens, bei dem sich in typischer Weise die besonderen Gefahren des Bahnbetriebs verwirklichen. Dazu zählen namentlich die Beförderungsvorgänge. Aus der Entstehungsgeschichte und dem Zweck des Haftpflichtgesetzes ergibt sich, dass sich die besondere Bahnhaftung auf solche Unfälle beschränkt, die diesen Vorgängen zuzurechnen sind (vgl. Filthaut, Haftpflichtgesetz, 5. Aufl., § 1 Rz. 60 m.w.N.).
Gefordert wird deshalb, dass zwischen dem Schadensfall und einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung der Eisenbahn ein un-mittelbarer äußerer (d.h. örtlicher und zeitlicher) und ein innerer (d.h. kausaler) Zu-sammenhang besteht (vgl. BGH VersR 1958, 609 [610] und v. 10.3.1987– VI ZR 123/86, MDR 1987, 750 = NJW 1987, 2445; Geigel, Der Haftpflichtprozess, 23. Aufl., Kap 22, Rz. 18; Filthaut, Haftpflichtgesetz, 5. Aufl., § 1 Rz. 61).
Hier fehlt es bereits an einem äußeren Zusammenhang. Er ist dann gegeben, wenn der Schaden durch unmittelbare Auswirkungen der technischen Betriebsvorgänge entsteht. Zum Bahnbetrieb gehören dabei alle Anlagen, die der Durchführung des Bahnbetriebes dienen (Filthaut, Haftpflichtgesetz, 5. Aufl., § 1 Rz. 68). Die VZA an der Kreuzung M. Straße/ S. Straße dient aber nicht dem Bahnbetrieb. Vielmehr soll sie – für sich gesehen – die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf den sich kreuzenden Straßen gewährleisten. Die technische „Verkoppelung” mit dem Bahnbetrieb ist nur deshalb erfolgt, damit auch bei geschlossenen Schranken der Straßenverkehr auf der Kreuzung in den übrigen, durch den Bahnbetrieb nicht blockierten Richtungen ungestört ablaufen kann.
Es tritt hinzu, dass die VZA, folgt man der Klägerin, (erst) nach Passieren des Zuges „feindliches Grün” ausstrahlte. Danach war aber der Betriebsvorgang zum Zeitpunkt der Kollision bereits beendet. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Durchführung des Betriebsvorganges und der – behaupteten – Fehlschaltung der VZA bestand sonach nicht (mehr).
Vor allem ist aber auch der innere Zusammenhang zu verneinen. Entgegen der Ansicht der Klägerin begründet allein der Umstand, dass der Unfall durch die fehlerhaft ausgelösten L...