Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensberechnung bei Pflegebedürftigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Begehrt ein Sozialhilfeträger aus übergegangenem Recht nach einem Behandlungsfehler, der zu einem irreversiblen Hirnschaden des (damals kindlichen, jetzt erwachsenen) Patienten führte, Erstattung von Eingliederungshilfen in Form einer Heimunterbringung, muss er sich nicht ersparte Aufwendungen des Patienten für Wohn- und allgemeine Lebenshaltungskosten entgegenhalten lassen, denn diese werden durch einen entsprechenden Anspruch des Geschädigten auf Verdienstausfall kompensiert.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 280, 611, 823

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 29.02.2012; Aktenzeichen 25 O 500/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 29.2.2012 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des LG Köln - 25 O 500/09 - wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche auf den Kläger gem. § 116 SGB X übergegangenen Ansprüche bezüglich des Schadensfalles der Frau M zu 50 % auszugleichen ohne Abzug für Wohn- und allgemeinen Lebenshaltungsaufwand.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist überörtlicher Träger der Sozialhilfe und macht gegen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin einer Johanniter-Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin und für Altenpflege im S-Kreis GmbH aus übergegangenem Recht Ansprüche auf Erstattung von Eingliederungshilfe geltend, die er für die am 9.2.1990 geborene M leistet.

M war vom 25.8. bis zum 22.9.1992 in einem Krankenhaus der Rechtsvorgängerin der Beklagten in ärztlicher Behandlung, bei der sie einen irreparablen Hirnschaden erlitt und seit dem sie dauerhaft pflege- und hilfsbedürftig ist. Ein Arzthaftungsprozess zwischen der Patientin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten wurde durch einen Vergleich vom 30.10.1996 beendet. In diesem Vergleich verpflichtete sich die damalige Beklagte ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 200.000 DM nebst Zinsen und die Patientin verzichtete u.a. auf die Geltendmachung aller materiellen Schadensersatzansprüche aus der streitgegenständlichen Behandlung, soweit diese nicht bereits auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen waren. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs wurden gegeneinander aufgehoben.

Mit Schreiben vom 7.10.1999 machte der Kläger gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beklagten erstmals Ansprüche aus übergegangenem Recht geltend auf Erstattung von Eingliederungshilfen. Im Zuge der Abwicklung der Ansprüche einigten sich der Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten darauf, eine Quote i.H.v. 50 % bei der Regulierung der seinerzeit angemeldeten wie auch der zukünftigen Ansprüche zugrundezulegen. Auf das Schreiben des Haftpflichtversicherers der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 16.3.2001 (Anlage K4 zur Klageschrift) sowie das Schreiben des Klägers vom 21.3.2001 (Blatt 35 GA) wird insoweit Bezug genommen. Dementsprechend erstattete die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin in den folgenden Jahren die vom Kläger geltend gemachten Eingliederungshilfen zu 50 %.

Von den vom Kläger geltend gemachten Kosten für geleistete Eingliederungshilfen für die Unterbringung von M in einem Wohnheim für behinderte Menschen in W ab dem 8.3.2008 hält die Beklagte zum einen den Abzug von Pflegegeldleistungen und des weiteren einen Abzug für ersparte Wohn- und allgemeine Lebenshaltungskosten i.H.v. 600 EUR pro Monat für gerechtfertigt. Sie erstattete in der Folgezeit die vereinbarte Quote von 50 % unter Anrechnung der Pflegegeldleistungen und abzgl. weiterer 600 EUR pro Monat für ersparte Aufwendungen.

Die Parteien streiten allein um die Abzugsfähigkeit von Wohn- und allgemeinen Lebenshaltungskosten und die dementsprechenden Einbehalte der Beklagten.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.800 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.200 EUR seit dem 4.3.2009, aus 3.600 EUR seit dem 15.6.2009 und aus 18.000 EUR seit dem 28.9.2011 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche auf ihn gemäß § 116 SGB X übergegangenen Ansprüche bezüglich des Schadensfalles der Frau M zu 50 % auszugleichen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass ersparte Aufwendungen in der von ihr geschätzten Höhe grundsätzlich abzuziehen seien. Auf einen, im Übrigen nicht übergangsfähigen, Verdienstausfallschaden könne sich der Kläger nicht berufen, da die Prognose, dass die Geschädigte ohne das Schadensereignis Einkünfte erzielt hätte, nicht gestellt werden könne. Zudem hat sie darauf hingewiesen, dass der Kläger i...

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