Entscheidungsstichwort (Thema)

Abmahnung bei Schubladenverfügung

 

Leitsatz (amtlich)

§ 12 Abs. 1 UWG regelt nur den Ersatz für die Kosten vorgerichtlicher Abmahnungen. Die Vorschrift bietet keine Anspruchsgrundlage für Abmahnkosten, die erst nach Erlass einer entsprechenden einstweiligen Verfügung anfallen.

 

Normenkette

UWG § 12 Abs. 1; BGB § 683 S. 1, §§ 677, 680

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 10.05.2007; Aktenzeichen 31 O 1029/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 07.10.2009; Aktenzeichen I ZR 216/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10.5.2007 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des LG Köln - 31 O 1029/06 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Kostenerstattungsanspruchs abzuwenden, wenn nicht diese zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat in einer wettbewerbsrechtlichen Angelegenheit am 11.7.2006 beim LG Köln den Erlass von auf Unterlassung gerichteten einstweiligen Verfügungen (Aktenzeichen 31 O 513/06 und 31 O 514/06) gegen die Beklagten erwirkt. Ohne die Zustellung der Beschlussverfügungen zu veranlassen bzw. die Titel zu erwähnen, hat sie die Beklagten mit anwaltlichen Schreiben vom 13.7.2006 wegen der im Verfügungsverfahren verfolgten Verletzungshandlung abmahnen lassen. Nachdem die Beklagten die vorbereiteten strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärungen nicht abgegeben haben, hat sie am 20.7.2006 die Zustellung der Titel bewirkt, welche im Verfahren nach Widerspruch der Beklagten durch Urteil der Kammer bestätigt und inzwischen als endgültige Regelung anerkannt worden sind.

Die Klägerin begehrt nunmehr Freistellung von den Kosten der anwaltlichen Abmahnschreiben vom 13.7.2006. Das LG hat der Klage mit Urteil vom 10.5.2007, auf das hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie der Fassung der Anträge gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, stattgegeben. Die Kammer hat hierbei die Auffassung vertreten, dass sich der Freistellungsanspruch in unmittelbarer Anwendung des § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG ergebe. Gegen diese Beurteilung wenden sich die Beklagten mit ihrem Rechtsmittel.

II. Die Berufung ist zulässig und in der Sache begründet. Der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Freistellung von den für die Abmahnschreiben vom 13.7.2006 entstandenen Rechtsanwaltsgebühren zu. Insbesondere trägt § 12 Abs. 1 UWG das Erstattungsbegehren nicht, und zwar weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung der Vorschrift.

1. Nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck regelt § 12 Abs. 1 UWG ausschließlich den Ersatz für die Kosten vorgerichtlicher Abmahnungen, bietet indes keine Rechtsgrundlage für die Erstattung von Abmahnkosten in Fällen, in welchen die Abmahnung erst nach Erlass einer (auf den nämlichen Unterlassungsanspruch gerichteten) einstweiligen Verfügung des Wettbewerbsgerichts ausgesprochen wird.

§ 12 Abs. 1 Satz 1 UWG stellt ausdrücklich - nur - auf die Situation "vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens" ab. Nach Wortlaut und Syntax ("Soweit ...") schließt Satz 2 der Vorschrift unmittelbar an den Regelungsinhalt von Satz 1 an und bietet deshalb keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass in Erweiterung des durch § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG definierten Anwendungsbereichs weitergehend jedwede Abmahnung erfasst werden sollte und also auch eine erst nach Einleitung eines gerichtlichen (Eil-)Verfahrens ausgesprochene.

Ebenso deuten Entstehungsgeschichte und Zweck des erst durch die Novellierung im Jahr 2004 in das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb eingeführten § 12 Abs. 1 UWG auf eine Anwendung nur auf vorgerichtliche Abmahnungen hin. Ausweislich der Gesetzesmaterialien ist die Abmahnung "ein Mittel zur außergerichtlichen Streitbeilegung" (vgl. BT-Drucks. 15/1487, dort S. 25). Es entspricht deshalb einhelliger Auffassung, dass die Vorschrift neben der Warnfunktion für den Verletzer auch der Vermeidung gerichtlicher Verfahren dient (vgl. BGH GRUR 2006, 439, 440 - nicht anrechenbare Geschäftsgebühr; OLG Köln OLGReport Köln 2002, 153; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 12 Rz. 1.4; Fezer-Büscher, UWG, § 12 Rz. 3; Harte/Henning-Brüning, UWG, § 12 Rz. 3; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren; 9. Aufl., Kap. 41 Rz. 7). Liegt indes schon ein Unterlassungstitel vor, verfehlt eine gleichwohl noch ausgesprochene Abmahnung auch dann, wenn der Schuldner hiervon mangels Zustellung noch nichts weiß, ihren Zweck, den Parteien und im Übrigen den Gerichten ein Verfahren zu ersparen.

2. Ob eine analoge Anwendung des § 12 Abs. 1 UWG auf Fälle, in welchen eine Abmahnung erst nach Erwirken, aber noch vor Zustellung eines - deshalb auch als Schubladen- oder Vorratsverfügung bezeichneten - Titels ausgesprochen worden ist, überhaupt in Betracht ko...

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