Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlung einer Rente aufgrund der Übertragung eines Grundstücks gegen die Verpflichtung Wohnung und Pflege zu gewähren
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Wesen eines Altenteilsvertrages besteht darin, daß die folgende Generation in eine die Existenz – wenigstens teilweise – begründende Wirtschaftseinheit nachrückt, wobei die Interessen des abziehenden Altenteilers und diejenigen der nächsten Generation gegeneinander abgewogen werden.
2. Wenn eine Übertragung eines Hausgrundstücks gegen die Gewährung von Wohnung und Pflege erfolgt, liegt kein Altenteilsvertrag vor. Ein Anspruch auf Zahlung einer Geldrente, die ein in Anspruch genommener Sozialhilfeträger auf sich überleiten könnte (§ 90 BSHG), besteht daher nicht.
Normenkette
EGBGB Art. 96; BGB § 242; BSHG § 90 I; PrAGBGB Art. 15 §§ 8-9
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 11.12.1995; Aktenzeichen 10 O 235/95) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 11. Dezember 1995 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn – 10 O 235/95 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheits-heistung von 8.500 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in dieser Höhe Sicherheit leistet. Die Sicherheit kann jeweils auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Volksbank erbracht werden.
Tatbestand
Die am 2. April 1908 geborene Mutter der Beklagten, Frau S. K., leidet an der Alzheimer-Krankheit und mußte deswegen im Februar 1989 in einem Pflegeheim untergebracht werden. Die insoweit entstehenden Kosten konnten nur teilweise durch ein eigenes Einkommen der Mutter (Rente) gedeckt werden. Nachdem zunächst die Krankenkasse einen Teil der Kosten übernommen hatte, zahlte die Klägerin die ungedeckten Heimkosten in der Zeit vom 1. Juni 1991 bis 30. Juni 1996 im Wege der Sozialhilfe. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 15. Juli 1991 (GA 20 f.) leitete die Klägerin „gemäß § 90 Abs. 1 BSHG” die Ansprüche auf sich über, die nach ihrer Ansicht der Mutter aus § 2 eines am 4. Januar 1973 abgeschlossenen notariellen Vertrages gegen die Beklagte zustehen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Überleitungsanzeige (GA 20 f.) Bezug genommen.
Der notarielle Vertrag vom 4. Januar 1973 (UR Nr 13 für 1973 des Notars R. in B., vgl. wegen der Einzelheiten GA 15-19) wurde von der Beklagten, ihren Eltern und ihren vier Geschwistern unterzeichnet. Durch den Vertrag verpflichteten sich die Eltern, das Eigentum an dem damals ihnen zu je 1/2 gehörenden Einfamilienhauses auf die Beklagte zu übertragen. In erster Instanz war unstreitig, daß der Wert des Hausgrundstücks damals 60.000 DM betrug. Die Beklagte verpflichtete sich ihrerseits, an ihre vier Geschwister einen Betrag von je 10.000 DM zu zahlen. Ferner heißt es in § 2 des Vertrages: „Frau M. P. (die Beklagte) räumt ihren Eltern, … als Gesamtberechtigte gemäß § 428 BGB das lebenslängliche und unentgeltliche Wohnrecht an der gesamten Wohnung im Obergeschoß des Hauses G. 9 einschließlich des noch zu errichtenden Zimmers im Anbau, jedoch mit Ausnahme des Kinderzimmers gegenüber dem Treppenaufgang, ein. Frau M. P. verpflichtet sich weiterhin, ihre Eltern in gesunden und kranken Tagen zu pflegen und zu betreuen. Die Berechtigten sind 69 und 65 Jahre alt.”
Die daraufhin an die Geschwister geleisteten Zahlungen betrugen nicht exakt je 10.000 DM, weil eine Verrechnung vorgenommen wurde. Der Wert des Hausgrundstückes und der Wert von zwei Baugrundstücken, die bereits vor 1973 an die beiden Brüder der Beklagten übertragen worden waren, wurden addiert. Ausgehend davon, daß diese Grundstücke jeweils einen Wert von 8.540 DM hatten, überwies die Beklagte an die Brüder je 4.876 DM und an die beiden Schwestern je 13.416 DM. Diese Beträge ergeben sich, wenn man den Wert des Hausgrundstücks, das die Beklagte erhielt, mit 60.000 DM ansetzt, und davon ausgeht, daß die Beklagte durch die Einräumung des Wohnrechts und die Übernahme der Betreuungs- und Pflegeverpflichtung eine Gegenleistung im Wert von 10.000 DM erbracht hatte, so daß der Wert der zu verteilenden „Erbmasse” noch 67.080 DM betrug, der unter fünf Geschwistern zu verteilen bzw. auszugleichen war.
Die Eltern der Beklagten bewohnten nach Vertragsschluß die vorgesehenen Räume (rund 25 qm, vgl. GA 39), die in dem Haus keine abgeschlossene Wohneinheit bilden und deshalb nicht an Dritte vermietet werden können. Der vorgesehene Anbau wurde nicht errichtet.
Die Beklagte pflegte ihren Vater bis zu seinem Tod im Jahr 1985 und ihre Mutter bis zu ihrer Überweisung in ein Pflegeheim. Inzwischen ist die Mutter der Beklagten schwerstpflegebedürftig. Eine Rückkehr in das Haus der Beklagten ist ausgeschlossen. Die Beklagte ist berufstätig und besucht die Mutter regelmäßig im H. in B.. Bei diesen Gelegenheiten erbringt sie auch gewisse pflegerische Leistungen (z.B. Hilfe beim Essen). Die Beklagte hat ihrem Ehemann das hälftige...