Leitsatz (amtlich)
1. Der Betreiber eines "Internet-Radiorecorders" haftet nicht wegen Beihilfe zu einer Urheberrechtsverletzung.
2. Es fehlt bereits an einer rechtswidrigen Haupttat, weil die Nutzer des Musikdienstes sich auf die Schutzschranke des § 53 Abs. 1 UrhG berufen können und als natürliche Personen einzelne Kopien zum privaten Gebrauch anfertigen; auch die Vorgaben des Dreistufentests gemäß Art. 5 Abs. 5 der InfoSoc-Richtlinie führen nicht zu einem anderen Ergebnis.
3. Der Betreiber des Musikdienstes handelt auch nicht mit Gehilfenvorsatz, da ihm nicht vorgeworfen werden kann sich in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen zu bewegen.
Normenkette
Richtlinie 2001/29/EG Art. 5 Abs. 5; UrhG § 53 Abs. 1 S. 1, § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 14 O 57/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13.02.2020 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 14 O 57/19 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Klägerin.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagen vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin ist ein Unternehmen der Tonträgerindustrie. Die Beklagte zu 1 (Beklagte) betreibt einen Internetdienst unter der URL www.flatster.com. Der Beklagte zu 2 ist ihr Geschäftsführer. Die Beklagte bietet auf ihrer Website www.flatster.com registrierten Kunden an, sich Musiktitel auszusuchen und ihre Titelauswahl in einer Wunschliste zu speichern. Sie gibt weiter an, dass sodann die Sendung eines Musiktitels mitgeschnitten werde, sobald dieser in einem angeschlossenen Webradio gespielt werde. Eine Kopie werde dann in einem Speicherplatz des Kunden abgelegt, von wo aus die Musikaufnahmen wiedergegeben und heruntergeladen werden könnten. Hierfür bietet die Beklagte drei Tarifvarianten an. Daneben gibt es das Testangebot "flatstar FREE", bei dem 20 Songs aus einem bestimmten eingeschränkten Bereich gratis bezogen werden können.
Am 11.01.2019 überprüfte die Ermittlungsfirma Q. GmbH im Auftrag der Klägerin den Dienst der Beklagten. Hierzu meldete sich der Zeuge M. über ein zuvor von ihm eingerichtetes Nutzerkonto bei dem Dienst der Beklagten an und suchte nach Titeln des Künstlers Thomas Anders. Sodann nahm er die 14 streitgegenständlichen Titel in seine Wunschliste auf. Am 14.01.2019 meldete er sich erneut bei dem Dienst der Beklagten an und stellte fest, dass 13 Titel als Mp3 Dateien zum Herunterladen bereit standen. Am 16.01.2019 stand auch der weitere Titel zum Herunterladen bereit. Die Tonaufnahmen waren vollständig, ohne jegliche Unterbrechungen durch Moderation, Werbung, Nachrichten etc. und wiesen eine gleichbleibend gute Qualität von 192 kBit/s auf.
Die Klägerin mahnte die Beklagten mit Schreiben vom 21.01.2019 ab und forderte sie in Bezug auf die streitgegenständlichen Musiktitel zur Unterlassung, Auskunftserteilung, Anerkennung einer Schadensersatzverpflichtung und Zahlung der Abmahnkosten in Höhe von insgesamt 1.973,90 EUR aus einem Gegenstandswert von 100.000 EUR auf. Es erfolgte keine Reaktion von Beklagtenseite und die Titel waren weiterhin bei der Beklagten verfügbar.
Die Klägerin hat vorgetragen, dass ihr die ausschließlichen Nutzungsrechte an den Tonaufnahmen des Künstlers Thomas Anders auf dem Musikalbum mit dem Titel "Ewig mit dir" zustünden. Ohne ihre Zustimmung sei die Nutzung selbst dann, wenn die technische Funktionsweise tatsächlich der Beschreibung der Beklagten entspreche, nicht zulässig. Spätestens durch das Abspeichern der Musikdateien auf dem Server der Beklagten werde in ihr Vervielfältigungsrecht aus §§ 85, 16 UrhG eingegriffen. Auf § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG könnten sich die Beklagten nicht berufen, weil nicht die Kunden, sondern die Beklagte selbst Herstellerin der Vervielfältigungen sei. Auch ein Herstellenlassen im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG liege nicht vor, da das Angebot der Beklagten durch die Recherche der Kopiervorlage über das bloße mechanische Vervielfältigen hinausgehe und zudem entgeltpflichtig sei. Ferner sei das Angebot der Beklagten als öffentliche Wiedergabe der Musiktitel zu werten und verletze daher ihr Recht aus § 19a UrhG. Die Verletzungshandlungen seien dem Beklagten zu 2 als Geschäftsführer der Beklagten zuzurechnen, da die Entscheidung über den rechtlichen und technischen Aufbau des Geschäftsmodells der Beklagten als eine für das Unternehmen grundlegende Entscheidung auf Vorstandsebene getroffen worden sein dürfte.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250....