Entscheidungsstichwort (Thema)
Kfz-Nutzungsentschädigung nach Verkehrsunfall
Leitsatz (amtlich)
Wartet der Halter eines infolge eines Verkehrsunfalls beschädigten Kfz mehr als 2 Monate zu, ehe er sein Fahrzeug in Reparatur gibt, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er das Fahrzeug in dieser Zeit nicht nutzen wollte, sodass ihm für diese Zeit auch kein Anspruch auf Entschädigung für entgangene Nutzungen zusteht.
Verfahrensgang
AG Aachen (Urteil vom 22.10.2003; Aktenzeichen 14 C 290/02) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 22.10.2003 verkündete Urteil des AG Aachen - 14 C 290/02 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 313a, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig; insb. ist das Rechtsmittel innerhalb der Berufungsfrist zulässigerweise bei dem gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1b) GVG zuständigen OLG eingelegt worden. Aufgrund der glaubhaften und nachvollziehbaren Aussage des Zeugen M. steht fest, dass die Klägerin bei Zustellung der Klage ausschließlich in S./Belgien gelebt hat, während es sich bei der weiteren Meldeanschrift der Klägerin um die Wohnung der Eltern des Zeugen gehandelt hat. Damit hatte die Klägerin bei Eintritt der Rechtshängigkeit ihren Wohnsitz und allgemeinen Gerichtsstand (§ 13 ZPO) in Belgien.
In der Sache hat das Rechtsmittel indes keinen Erfolg.
Der Klägerin steht der geltend gemachte restliche Schadensersatzanspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung von 816,02 Euro, der im Berufungsverfahren nur noch im Streit ist, nicht zu. Ein entsprechender Anspruch bestände nur dann, wenn die Klägerin auch einen Nutzungswillen gehabt hätte. Ein derartiger Wille lässt sich - wie das AG zutreffend ausgeführt hat - anhand ihres Vortrags nicht feststellen. Nach der ganz überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung und Literatur begründet der Umstand, dass ein Geschädigter mehrere Monate zuwartet, bis er sein Fahrzeug reparieren lässt oder sich ein Ersatzfahrzeug beschafft, eine von ihm zu entkräftende tatsächliche Vermutung für einen fehlenden Nutzungswillen (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.10.2001 - 1 U 206/00; AG Leipzig, Urt. v. 24.6.2002 - 49 C 1061/02; AG Frankfurt, Urt. v. 21.3.2002 - 29 C 801/01; AG Frankfurt ZfS 2002, 339; Bamberger/Roth/Grüneberg, BGB, § 249 Rz. 61; Notthoff, NZV 2003, 509 [514]; a.A. z.B. OLG Düsseldorf NZV 2003, 379 [380]; LG Nürnberg-Fürth DAR 2000, 72; LG Oldenburg ZfS 1999, 288). Der h.M. ist zu folgen. Es geht um die Feststellung innerer Tatsachen bei dem Geschädigten, die immer nur im Wege eines Indizienbeweises aufgrund bestimmter anderer Tatsachen zulässig ist. Mit einem Zuwarten über einen längeren Zeitraum bis zu einer Reparatur oder einer Ersatzanschaffung setzt der Geschädigte aber deutliche Beweisanzeichen gegen sich selbst; denn, wenn er ein Fahrzeug über mehrere Monate nicht nutzt, ist es nicht einzusehen, wieso er es innerhalb der - in der Regel - deutlich kürzeren Zeit für die Suche nach einem Ersatzfahrzeug (oder einer Reparatur) nutzen will. Dass etwas anderes dann gilt, wenn der Geschädigte nicht über die finanziellen Mittel für die Ersatzbeschaffung verfügt und er abwartet, bis der Haftpflichtversicherer des Schädigers den Kfz-Schaden ausgleicht (vgl. AG Schweinfurt DAR 1999, 556; AG Stuttgart ZfS 2002, 579; Notthoff NVZ 2003, 509 [514]), liegt nahe, bedarf indes keiner Entscheidung; denn die Beklagte hat auf das Aufforderungsschreiben vom 9.5.2001 unverzüglich reagiert und innerhalb der ihr bis zum 18.5.2001 gesetzten Frist den Fahrzeugschaden ausgeglichen. Nach Ankündigung der Zahlung mit Schreiben vom 14.5.2001 ist - was bereits ausreichend gewesen wäre - nicht nur die Leistungshandlung selbst, also die Überweisung, fristgerecht erfolgt, sondern das Geld schon am 17.5.2001 auf dem Konto der anwaltlichen Vertreter der Klägerin eingegangen. Alles Weitere lag alleine in ihrem Einflussbereich bzw. der ihrer Vertreter. Gleichwohl hat es - den Vortrag der Klägerin als richtig unterstellt - noch fast 2 Monate, nämlich bis zum 11.7.2001 gedauert, bis sie sich ein Ersatzfahrzeug angeschafft hat. Gründe für das Zuwarten über diesen langen Zeitraum hat die Klägerin, die ihren Vortrag, sie habe sich um ein Ersatzfahrzeug "bemüht", in keiner Weise konkretisiert hat, nicht aufgezeigt. Damit hat sie die gegen sie sprechende tatsächliche Vermutung für einen fehlenden Nutzungswillen nicht entkräftet.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1147512 |
ZAP 2004, 1208 |
MDR 2004, 1114 |
OLGR Köln 2004, 203 |
VersR 2004, 1332 |
JWO-VerkehrsR 2004, 233 |
SVR 2004, 470 |
VRA 2004, 112 |