Entscheidungsstichwort (Thema)

"Geistige Fitness": Werbung für ein Präparat mit sog. Nachzulassung als traditionelles Arzneimittel

 

Leitsatz (amtlich)

Für ein Präparat, das über eine Nachzulassung als traditionelles Arzneimittel (§ 109a Abs. 3 AMG) "zur Besserung des Allgemeinbefindens" verfügt, darf nicht in der Weise geworben werden, dass der Eindruck entsteht, die in dem Mittel enthaltenen Wirkstoffe würden die Leistungsfähigkeit des Gehirns im fortgeschrittenen Alter erhalten.

 

Normenkette

AMG § 31 Abs. 2-3, § 105 Abs. 3, § 109a Abs. 1, 3; HWG § 3 S. 2 Nr. 1, §§ 3a, 4 Abs. 1 Nr. 4; UWG § 4 Nr. 11

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 27.11.2008; Aktenzeichen 31 O 360/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27.11.2008 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des LG Köln - 31 O 360/08 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 EUR, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu unterlassen, das Arzneimittel "Vita-Gerin® Geistlich N" mit dem Hinweis

"Geistige Fitness"

und/oder

"Einer der aktuellen Megatrends heißt 'Gehirn-Fitness'. Denn wer möchte nicht geistig fit sein und auch bleiben - am besten bis ins hohe Alter"

wie nachfolgend eingeblendet, zu bewerben und/oder bewerben zu lassen:

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs durch Sicherheitsleistung i.H.v. 150.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Sie kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin, die mit dem Generikum "H. L." ein zur symptomatischen Behandlung hirnorganisch bedingter Leistungsstörungen zugelassenes Arzneimittel vertreibt, nimmt die Beklagte auf Unterlassung einer Werbung für ihr Präparat "W-J® Geistlich N" in Anspruch, das über eine sog. Nachzulassung als traditionelles Arzneimittel (§ 109a Abs. 3 AMG) "zur Besserung des Allgemeinbefindens" verfügt. Sie ist der Ansicht, die in der Urteilsformel eingeblendete, im April 2008 verbreitete Zeitschriftenwerbung mit den darin enthaltenen, im Klageantrag verbal wiedergegebenen Angaben sei nicht von der Zulassung des Arzneimittels der Beklagten gedeckt und irreführend. Das LG hat mit dem angefochtenen Urteil, auf das verwiesen wird, die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt, verfolgt die Klägerin ihr Begehren unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter, während die Beklagte die klageabweisende Entscheidung verteidigt.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Klägerin kann von der Beklagten Unterlassung der (kumulativ und alternativ) angegriffenen (verbalen) Werbeaussagen in der eingeblendeten konkreten Verletzungsform verlangen, denn die Werbung bezieht sich auf Anwendungsgebiete (Indikationen) ihres Arzneimittels, die nicht von seiner Zulassung erfasst sind (§ 109a Abs. 3 AMG, § 3a HWG) und stellt sich deshalb als wettbewerbsrechtlich unlautere Zuwiderhandlung gegen Marktverhaltensregeln dar (§§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG).

1. Nach deutschem Heilmittelwerberecht darf für die Anwendungsgebiete zulassungspflichtiger Arzneimittel nur im Rahmen der Zulassung geworben werden (§ 3a HWG). Das entspricht Art. 87 der Richtlinie 2001/83/EG, wonach eine mit der Zulassung des Arzneimittels nicht übereinstimmende Information über dessen Anwendungsgebiete den Verbraucher nicht erreichen soll (vgl. BGH, GRUR 2008, 1014 = WRP 2008, 1335 [Rz. 27 f.] - Amlodipin m.w.N.). Das als abstrakter Gefährdungstatbestand ausgestaltete Werbeverbot, das gesundheitsrelevanten Irreführungsgefahren in Bezug auf den Umfang der medizinisch-pharmakologischen Überprüfung der Verkehrsfähigkeit vorbeugen soll (vgl. Doepner, HWG, 2. Aufl., § 3a Rz. 11; Fezer/Reinhart, UWG, § 4-S4 Rz. 399 f.; OLG Stuttgart, MD 2006, 631 [632]; OLG Hamburg, MD 2007, 1173 [1175]), knüpft an den Wortlaut der Zulassung an, der grundsätzlich abschließend und eng zu verstehen ist (Senat, MD 1998, 1282 [1288]), wobei der Begriff des Anwendungsgebiets hier (wie in § 4 Abs. 1 Nr. 4 HWG) mit dem medizinischen Begriff der Indikation gleichzusetzen ist, der sich auf die Zweckbestimmung des Arzneimittels, insbesondere die von ihm zu beeinflussenden körperlichen und seelischen Zustände (Krankheitsbilder, Beschwerden und Leiden) bezieht (Doepner, a.a.O., § 4 Rz. 36).

Das Verbot ist nicht nur verletzt, wenn in der Werbung eine nicht von der Zulassu...

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