Leitsatz (amtlich)
1. Der Schadensersatzanspruch des vorsteuerabzugsberechtigten Käufers gemäß § 826 BGB ist auf den Nettokaufpreis beschränkt.
2. Auch die Berechnung der Nutzungsentschädigung im Rahmen des Schadensersatzes gemäß § 826 BGB erfolgt bei einem vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigtem auf Grundlage des Nettokaufpreises ("kein Brutto vom Netto").
Verfahrensgang
LG Bonn (Aktenzeichen 18 O 364/20) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26.03.2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 18 O 364/20 - teilweise abgeändert und klarstellend insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt,
1. an die Klägerin 52.161,16 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.01.2021 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Porsche Macan S Diesel mit der Fahrzeugidentifikationsnummer A zu zahlen;
2. an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.033,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.01.2021 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 29 % und die Beklagte zu 71 %; die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 77 % und die Beklagte zu 23 %.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin erwarb am 05.06.2014 einen PKW Porsche Macan S Diesel zum Preis von 81.108,83 EUR brutto (netto 68.158,68 EUR, USt. 12.950,15 EUR). Sie macht gegen die Beklagte, die Herstellerin des Fahrzeugmotors, Schadensersatzansprüche anlässlich des sog. "Diesel-Skandals" geltend. Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 62.071,78 EUR nebst Zinsen und Nebenforderungen zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Der Schadensbetrag setzt sich zusammen aus dem gezahlten Kaufpreis abzüglich Nutzungsvorteile in Höhe von 19.037,05 EUR. Dieser Betrag beruht auf einer Laufleistung zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht von 70.413 km und einer geschätzten Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 300.000 km.
Die Beklagte greift das Urteil an, soweit das Landgericht bei der Bemessung des Schadens den Bruttokaufpreis zugrunde gelegt hat.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird im Übrigen gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1, 543 Abs. 1, 544 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige - insbesondere an sich statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete - Berufung der Beklagten, die auf den Ansatz des Bruttokaufpreises beschränkt ist, hat in der Sache überwiegend Erfolg.
1. Aufgrund der insoweit nicht angegriffenen landgerichtlichen Entscheidung steht fest, dass die Beklagte der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss sich der Geschädigte dabei auf den Schaden den Vorteil anrechnen lassen, der sich aus der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs ergibt. Würde man dem Geschädigten einen Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer gegen den Schädiger zubilligen, so wäre er insofern ungerechtfertigt begünstigt, da er die Umsatzsteuer praktisch zweimal (nämlich einmal von dem Schädiger und einmal vom Finanzamt) erstattet erhielte, was mit dem zentralen Grundgedanken des Schadensrechts, dass der Geschädigte nämlich durch die Ersatzleistung des Schädigers vollen Ersatz seines tatsächlichen Schadens, hingegen aber keine Bereicherung erlangen soll, unvereinbar wäre (BGH, NJW-RR 1990, 32, 33; NJW 2014, 2874, 2875; ebenso Palandt/Grüneberg, 80. Aufl. 2021, § 249 BGB, Rn. 54). Mithin ist der Schaden der unstreitig vorsteuerabzugsberechtigten Klägerin vorliegend auf den Nettokaufpreis von 68.158,68 EUR beschränkt.
Entsprechend ist allerdings auch - entgegen der Ansicht der Berufung - die hiervon abzusetzende Nutzungsentschädigung auf Grundlage des Nettokaufpreises zu berechnen. Eine Vermischung von Brutto- und Nettopreisen kann dagegen - wie regelmäßig - nicht überzeugen: Maßgeblich für den Vorteilsausgleich ist der Nutzungsvorteil der geschädigten Klägerin. Dieser bemisst sich nach dem für die Anschaffung aufgewandten Betrag, hier also den Nettokaufpreis, verteilt auf die Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs. Dem steht die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rückabwicklung von Kaufverträgen (NJW 1991, 2484 f.; NJW 2014, 2435 f.) nicht entgegen; vielmehr entspricht gerade nur das Abstellen auf den Nettokaufpreis den in diesen Entscheidungen aufgestellten Grundsätzen: Entscheidend stellt die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Kaufrecht insoweit nämlich darauf ab, dass im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander der Käufer den Bruttokaufpreis zu entrichten und zurückzuerstatten habe und dieser deshalb für das Verhältnis der Vertragspartner zueinander auch als Bewertun...