Leitsatz (amtlich)
Privatgutachten können ausnahmsweise eine eigene Beweisaufnahme des Gerichts entbehrlich machen, wenn die Beweisfrage allein schon hierdurch zuverlässig beantwortet werden kann. Insoweit gelten jedoch strenge Anforderungen. Insbesondere bedarf es dann der Einholung eines Gutachtens durch das Gericht, wenn die Begutachtung von der Gegenpartei hinreichend angegriffen wird, wobei an die Qualität der Angriffe keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen.
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 19.01.2011; Aktenzeichen 26 O 456/09) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 19.1.2011 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des LG Köln (Az. 26 O 456/09) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II.1. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
Dem Kläger steht weder der geltend gemachte Anspruch auf Invaliditätsleistungen noch ein Anspruch auf Erstattung der durch die vorgerichtliche Verfolgung eines solchen Anspruchs entstandenen Rechtsanwaltsgebühren zu.
a. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 der dem zwischen den Parteien geschlossenen Unfallversicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 88, Bl. 12 ff. d.A.) entsteht ein Anspruch auf Kapitalleistung aus der für den Invaliditätsfall versicherten Summe, wenn ein Unfall zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit des Versicherten führt. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
b. Dem Anspruch steht allerdings nicht bereits ein Leistungsausschluss nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AUB 88 entgegen, wonach Unfälle durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen nicht unter den Versicherungsschutz fallen. Den ihr obliegenden Beweis, dass der Treppensturz des Klägers auf einer Bewusstseinsstörung beruhte, hat die Beklagte nicht erbracht.
Zwar ist die in der Unfall-Schadenanzeige vom 19.12.2006 (Bl. 20 ff. d.A.) gestellte Frage Nr. 9, ob der Unfall auf eine vorher eingetretene Bewusstseinsstörung zurückzuführen ist, durch Ankreuzen der Alternative mit "ja" mit dem Zusatz "schwarz vor Augen" beantwortet worden.
Hieran war der Kläger indes nicht festzuhalten. Dieser hat bereits erstinstanzlich bestritten, dass der Treppensturz Folge einer Bewusstseinsstörung gewesen sei, und im Einzelnen dargelegt, wie es zu den anderslautenden Angaben in der Unfall-Schadenanzeige gekommen sei: Aufgrund erheblicher Verständnisschwierigkeiten mit der deutschen Sprache habe er die Arzthelferin des ihn behandelnden Orthopäden, die Zeugin U, gebeten, die Anzeige für ihn auszufüllen. Die Zeugin habe seine Erläuterung, dass ihm zwar durch das Tragen der Reifen für ca. 2-3 Sekunden schwindelig geworden sei, der Unfall sich aber erst nach einer Pause von mehr als fünf Minuten ereignet habe, falsch aufgenommen.
Nach Vernehmung der Zeugin U ist der Senat von der Richtigkeit dieser Darstellung überzeugt.
Die Zeugin U hat ausgesagt, der Kläger sei Patient in der orthopädischen Praxis gewesen, in der sie als Arzthelferin beschäftigt gewesen sei. Der Kläger spreche sehr schlecht deutsch, so dass sie - die Zeugin - ihm auf Wunsch ihres Chefs beim Ausfüllen der Schadenanzeige geholfen habe. Sie habe die Anzeige so ausgefüllt, wie sie den Kläger zunächst verstanden habe, nämlich dahin, dass diesem schwindelig geworden sei. Seitens des Klägers sei zwar von einer Pause die Rede gewesen, hiermit habe sie aber nichts anzufangen gewusst. Auf Empfehlung ihres Chefs, dem sie das Gespräch geschildert habe, habe sie daher zu Frage Nr. 9 "schwarz vor Augen eingetragen". Erst später - der Kläger sei öfter in der Praxis gewesen - sei ihrem Chef und ihr klar geworden, was der Kläger mit der Pause gemeint habe.
Der Senat sieht keinen Anlass der Aussage der Zeugin U nicht zu folgen. Die Unfallanzeige erbringt daher keinen Beweis zugunsten der Beklagten.
Selbst wenn man im Übrigen aufgrund der Angaben in der Schadenanzeige zugunsten der nach allgemeinen Regeln für die Voraussetzungen eines Leistungsausschlusses beweisbelasteten Beklagten eine Beweislastumkehr annehmen würde, konnte dem Kläger zumindest der Gegenbeweis nicht verwehrt werden. Diesen Gegenbeweis hat der Kläger jedenfalls vorliegend erbracht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erachtet der Senat den folgenden, von dem Kläger geschilderten Ablauf als erwiesen:
Der Kläger hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat angegeben, am fraglichen Tag, dem 19.10.2006, an seinem Pkw Winterreifen montiert zu haben. Die abmontierten Sommerreifen habe er in den Keller bringen wollen. Nachdem er die Sommerreifen demontiert, von seinem Pkw zur Kellertür getragen und diese dort abgelegt habe, habe er gemerkt, dass es ihm nicht gut gehe. Es sei ihm zwar nicht schwarz vor Augen gewesen, er sei aber etwas ...