Entscheidungsstichwort (Thema)

Forderungsprätendentenstreit

 

Leitsatz (amtlich)

Die Rechtsbehauptung des Versicherungsnehmers, er habe gegen den Gläubiger des Rückkaufswerts einer Lebensversicherung, der die Forderung infolge Abtretung seitens des Versicherungsnehmers erlangt hatte, einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückabtretung, berechtigt den Versicherer nicht zur Hinterlegung gem. § 372 S. 2 BGB.

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 02.04.2003; Aktenzeichen 23 O 411/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 23. Zivilkammer des LG Köln vom 2.4.2003 (23 O 411/02) abgeändert und wie folgt gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.505,70 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15.10.2002 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt Auszahlung des Rückkaufswertes einer gekündigten Lebensversicherung des X.N., der seine Ansprüche aus der Lebensversicherung zur Sicherung eines Darlehens an die Rechtsvorgängerin der Klägerin abgetreten hatte. Nachdem Herr N. die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben auf einen Schadensersatzanspruch seinerseits hingewiesen hatte, der eine Entlassung aus dem Darlehensvertrag beinhalte und auch die Abtretung der Lebensversicherung betreffe, hinterlegte die Beklagte den Rückkaufswert i.H.v. 8.505,70 Euro bei dem AG Köln. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Hinterlegung der Beklagten sei gem. § 372 S. 2 BGB zulässig gewesen und habe schuldbefreiende Wirkung gehabt, da die erforderliche Ungewissheit über die Person des Gläubigers auch aus möglichen schuldrechtlichen Ansprüchen auf Rückgängigmachung einer erfolgten Abtretung resultieren könne.

Der Kläger verfolgt mit der Berufung sein erstinstanzliches Begehren weiter. Er rügt insb., das LG sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, auch aus schuldrechtlichen Schadensersatzansprüchen auf Rückabtretung könne sich die für eine Hinterlegung erforderliche Ungewissheit ergeben. Zudem habe das LG übersehen, dass keine ausreichenden Anhaltspunkte für das Bestehen eines solchen Schadensersatzanspruches vorhanden gewesen seien.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin den Rückkaufswert der Lebensversicherung L 21 014 732/2 00 i.H.v. 8.505,70 Euro zu zahlen. Der Versicherungsnehmer N. hat seine Ansprüche aus der Lebensversicherung am 20.12.1991 wirksam gem. § 398 BGB an die Rechtsvorgängerin der Klägerin abgetreten und die Abtretung der Beklagten angezeigt. Nach Kündigung der Lebensversicherung steht damit der Klägerin ein Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswertes aus §§ 176 Abs. 1 VVG, 398 BGB zu.

Die Beklagte ist von ihrer Leistungspflicht nicht gem. §§ 372, 376, 378 BGB dadurch befreit worden, dass sie den geschuldeten Betrag unter Verzicht auf das Recht der Rücknahme hinterlegt hat. Diese Hinterlegung hat keine schuldtilgende Wirkung, da sie nicht die Voraussetzungen des § 372 BGB erfüllt.

Von den gesetzlichen Hinterlegungsgründen kommt hier nur ein solcher nach § 372 S. 2, 2. Alt. BGB in Betracht. Danach ist der Schuldner zur Hinterlegung berechtigt, wenn er infolge einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Ungewissheit über die Person des Gläubigers seine Verbindlichkeit nicht mit Sicherheit erfüllen kann. Die Hinterlegung ist dabei nicht bereits dann zulässig, wenn der Schuldner ohne Fahrlässigkeit meint zur Hinterlegung befugt zu sein. Eine unrichtige Vorstellung von den gesetzlichen Voraussetzungen der Hinterlegung kann den objektiven Mangel dieser Voraussetzungen nicht ersetzen (BGHZ 7, 302 [305]; BGH v. 18.4.1985 – III ZR 5/84, WM 1985, 912; Westermann in Erman, BGB, 10. Aufl., 2000, § 372 Rz. 2). Die gesetzlichen Hinterlegungsvoraussetzungen müssen also tatsächlich vorliegen.

Eine Ungewissheit über die Person des Gläubigers liegt nicht schon dann vor, wenn mehrere Forderungsinhaber auftreten. Vielmehr müssen Umstände hinzutreten, die beim Schuldner zu objektiv verständlichen Zweifeln über die Person des Gläubigers geführt haben (BGHZ 7, 302 [303]; BGH v. 18.4.1985 – III ZR 5/84, WM 1985, 912; v. 28.1.1997 – XI ZR 211/95, MDR 1997, 564 = NJW 1997, 1501 [1502]). Solche Zweifel können insb. entstehen, wenn der Anspruch vom ursprünglichen Gläubiger abgetreten wurde und in der Folge Unklarheit hinsichtlich der Wirksamkeit der Abtretung besteht (BGH v. 28.1.1997 – XI ZR 211/95, MDR 1997, 564 = NJW 1997, 1501 [1502]; ebenso bereits RGZ 70, 88 [90]; RGZ 89, 401 [402]). Dies ist regelmäßig nach erfolgter Anfechtung einer Abtretung anzunehmen, wenn Streit darüber besteht, ob diese begründet war (RGZ 89, 401 [402]). Dabei sind Zweifel an der Person des Gläubigers auch dann nicht ausgeschlossen, wenn dem Schuldner – wie hier – die Abtretung angezeigt wurde, so dass er im Falle der Leistung an den neuen Gläubiger in jedem Fall...

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