Leitsatz (amtlich)
1. Eine Anschlussberufung, mit der erreicht werden soll, dass eine Klage als unzulässig und nicht als unbegründet abgewiesen werden soll, ist unzulässig, wenn nicht im Einzelfall durch die Abweisung als unzulässig ein Mehr gegenüber der Abweisung als unbegründet erreicht werden soll.
2. Wird dargelegt, dass eine unerlaubte Handlung Verbraucher in Deutschland betreffen kann, ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO anzunehmen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Handlung den Beklagten zugerechnet werden kann.
3. Eine Haftung des Anbieters eines Werbepartnerprogramms im Rahmen eines Online-Marktplatzes für Wettbewerbsverstöße, die durch einen Dritten als Betreiber einer selbstständigen Internetseite begangen wurden, besteht nach § 8 Abs. 2 UWG nicht, wenn keine Vorgaben über das Ob und Wie der Werbung gemacht wurden.
Normenkette
Brüssel-Ia-VO Art. 7 Nr. 2; UWG § 8 Abs. 2; ZPO § 524
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 81 O 62/20) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 20.05.2021 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 62/20 - wird zurückgewiesen.
2. Die Anschlussberufung der Beklagten gegen das am 20.05.2021 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 62/20 - wird als unzulässig verworfen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
4. Dieses Urteil und das genannte Urteil des Landgerichts Köln sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Unterlassung von Wettbewerbsverstößen auf der Internetseite eines Dritten und auf Erstattung von Abmahnungskosten in Anspruch.
Die Klägerin ist ein Matratzenhersteller und vertreibt ihre Produkte, u.a. die "Bodyguard Anti-Kartell-Matratze", über ihre Website "www.c.de" und über einen Shop auf dem B.-Market-Place.
Die Beklagten sind Gesellschaften der B.-Gruppe und jeweils in Luxemburg ansässig. In unterschiedlichen Rollen und Aufgabenbereichen sind sie am Betrieb der Online-Verkaufsplattform "B" - in Deutschland unter "www.b.de" aufrufbar - beteiligt. Die Beklagte zu 1 ist für den technischen Betrieb der Website "www.b.de" zuständig. Sie ist zudem technisch und administrativ für das B.-Partnerprogramm verantwortlich. In dessen Rahmen steht es Dritten, sog. Affiliates, frei, auf der eigenen Website Links auf Angebote der Plattform B., sogenannte Affiliate-Links, zu setzen. Wird dadurch ein Kauf vermittelt, erhält der Affiliate als Provision einen prozentualen Anteil am Kaufpreis (Pay-per-Sale Geschäftsmodell). Grundlage dessen ist die "Vereinbarung zur Teilnahme am B.-Partnerprogramm" (Anlage B3, auf die Bezug genommen wird), als deren alleinige Vertragspartnerin der Affiliates die Beklagte zu 1 fungiert. Die Vereinbarung kommt durch Registrierung und Bestätigung der Bedingungen durch den Affiliate zustande, ohne dass die Beklagten zuvor die Initiative ergriffen hätten. Eine etwaige vorangehende Prüfung der potentiellen Affiliates oder deren Internetseite durch die Beklagte zu 1 erfolgt nicht.
Im Rahmen des Partnerprogramms entscheidet der Affiliate selbstständig und weisungsfrei darüber, ob und wie er auf B.-Angebote verlinkt. Die Vereinbarung sieht insbesondere keine Vorgaben für die Gestaltung der Affiliate-Website und den Umfang der Verlinkungen, keine Weisungsbefugnis der Beklagten zu 1 und keine Ausschließlichkeit des B.-Partnerprogramms gegenüber anderen Partnerprogrammen vor. Die Vereinbarung beinhaltet, dass das Verhältnis zwischen Partner und Beklagter zu 1 das unabhängiger Vertragspartner ist. Der Partner muss gewährleisten, dass bei Erstellung, Pflege und Betrieb der Webseite nicht gegen anwendbare gesetzliche Bestimmungen, Verordnungen, Vorschriften oder ähnliches verstoßen wird. Gemäß Ziffer 2 behält sich die Beklagte zu 1 bei Nichteinhaltung der Vereinbarung vor, "neben allen anderen, uns zur Verfügung stehenden Rechten und Rechtsbehelfen" die Vergütung einzubehalten.
Die Beklagte zu 2 agiert auf der Website "www.b.de" als Verkäuferin. Sie vertreibt die Produkte, die mit der Information "Verkauf und Versand durch B." gekennzeichnet sind und nicht in Shops von Dritthändlern angeboten werden. Teilweise übernimmt sie für Dritthändler Lagerung und Versand ihrer Produkte gegen Zahlung einer Vergütung. Zu den Produkten zählen auch Matratzen.
Die Beklagte zu 3 betreibt den "B.-Market-Place". Auf Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung mit ihr ("B. Services Europe Business Solutions Vertrag", Anlage K7) bieten Dritthändler ihre Produkte in eigenen unter "www.b.de" aufrufbaren Shops an.
Neben einer monatlichen Abonnement-Gebühr erhält die Beklagte zu 3 für jeden Geschäftsabschluss über ihre Plattform ein...