Nachgehend

BGH (Urteil vom 27.05.2019; Aktenzeichen NotZ(Brfg) 7/18)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der getroffenen Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Besetzung einer Notarstelle in Recklinghausen.

Die am xx.xx.1956 geborene Klägerin hat die zweite juristische Staatsprüfung am 28.3.1985 mit der Note "ausreichend" (4,35 Punkte) und die notarielle Fachprüfung am 17.9.2016 mit der Note "ausreichend" (5,81 Punkte) bestanden. Seit dem 25.9.1985 ist sie als Rechtsanwältin zugelassen und seit dem 10.5.1993 im Amtsgerichtsbezirk Recklinghausen tätig. Von 2004 bis 2015 war die Klägerin als ständige Vertreterin des Notars A bestellt, der in dieser Zeit hauptamtlicher Bürgermeister der Stadt B war und zwischenzeitlich altersbedingt aus dem Amt geschieden ist, und ist seitdem Verwalterin seines Notariats.

Die Klägerin hat sich als eine von vier Bewerbern auf 15 Notarstellen beworben, die am 15.5.2017 für den Bezirk des Amtsgerichts Recklinghausen ausgeschrieben worden waren. Der Präsident des Landgerichts Bochum hat sich in seinem Besetzungsbericht vom 3.8.2017 wegen Überschreitung der Altersgrenze des § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO gegen eine Ernennung der Klägerin ausgesprochen. Auch der Vorstand der Westfälischen Notarkammer hat eine Bestellung der Klägerin zur Notarin nicht als zulässig erachtet. Der Beklagte hat der Klägerin mit Schreiben vom 11.9.2017 mitgeteilt, dass ihre Bewerbung nicht berücksichtigt werden könne, und nach einer Remonstration der Klägerin vom 29.9.2017 die Bewerbung mit Bescheid vom 18.10.2017, zugestellt am 23.10.2017, abgelehnt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den genannten Bescheid verwiesen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 20.11.2017 eingegangenen und mit Schriftsatz vom 10.1.2018 begründeten Klage. Die Klägerin meint, dass der Beklagte die Normgeschichte des § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO nicht hinreichend berücksichtigt habe und die Vorschrift im Hinblick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und das Leistungsprinzip (Art. 33 GG) dahin verfassungskonform auszulegen bzw. teleologisch zu reduzieren sei, dass sie zur Notarin bestellt werden könne. Die mit der Altersgrenze bezweckte Vermeidung altersbedingter Schwierigkeiten bei der Einarbeitung treffe in ihrem Fall nicht zu, da sie faktisch seit zehn Jahren den Notarberuf ausgeübt habe, so dass auch die mit der gesetzlichen Regelung verfolgte Kontinuität gewährleistet sei. Zudem hat die Klägerin behauptet, dass sie angesichts der mit der Tätigkeit als ständige Vertreterin eines Notars verbundenen Arbeitsbelastung die notarielle Fachprüfung, deren Einführung zu einer weiteren Verkürzung des für die Ausübung des Notarberufs zur Verfügung stehenden Zeitraums geführt habe, erst im Jahre 2016 habe ablegen und sich deshalb nicht früher habe bewerben können, zumal die lediglich einmal jährlich erfolgende Ausschreibung zu einer weiteren Verkürzung für eine rechtzeitige Bewerbung zur Verfügung stehenden Zeitraums führe. Im Übrigen sei im Amtsgerichtsbezirk Recklinghausen die Versorgung der Bevölkerung mit notariellen Dienstleistungen gefährdet. Deshalb sind nach Auffassung der Klägerin in besonders gelagerten Einzelfällen wie dem vorliegenden Ausnahmen von der gesetzlichen Regelung möglich. Falls eine solche Auslegung nicht in Betracht komme, sei § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO verfassungswidrig und der Rechtsstreit müsse zwecks Vorlage zum Bundesverfassungsgericht ausgesetzt werden. Zudem sei eine teleologische Reduktion der Norm vorzunehmen, da sie nach ihrem Sinn und Zweck im Fall der Klägerin keine Anwendung finden könne. Wegen der weiteren Einzelheiten der Klagebegründung wird auf die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 20.11.2017, vom 10.1.2018 und vom 20.4.2018 nebst Anlagen verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide des Beklagten vom 11.9.2017 und vom 18.10.2017 - zugestellt am 23.10.2017 (Az. 3825 E-8.12 (AG Recklinghausen) SH aufzuheben und die Klägerin zur Notarin im Amtsgerichtsbezirk Recklinghausen zu bestellen,

hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, eine Neubescheidung vorzunehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält den Verpflichtungsantrag für unbegründet und die Ablehnung der Bewerbung der Klägerin für rechtmäßig. Der Beklagte meint, dass die Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO verfassungsrechtlich unbedenklich sei und angesichts ihres eindeutigen Wortlauts keinen Raum für Ausnahmen etwa im Wege der teleologischen Reduktion lasse. Die mit der Vorschrift verfolgten Zwecke einer Kontinuität und einer geordneten Altersstruktur seien bei einer Bestellung von Notaren, die altersbedingt das Amt nur noch weniger als zehn Jahre ausüben könnten, nicht gewährleistet. Die langjährige Tätigkeit der Klägerin als ...

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