Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebrauchtwagenkauf, Chip-Tuning
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Sachmangel eines Gebrauchtwagens kann auch dann vorliegen, wenn eine Veränderung an den vom Hersteller in einem Steuerungs-Chip der Motorsteuerung festgelegten Daten (sog. Tuning) nicht der Leistungssteigerung, sondern der Kraftstoffeinsparung dient. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn hierdurch die Herstellergarantie beeinträchtigt ist.
2. Ist die Herstellergarantie bedingungsgemäß ausgeschlossen, wenn ein Fahrzeugmangel dadurch entstanden ist, dass das Fahrzeug ohne Genehmigung des Herstellers verändert worden ist und hat der Verkäufer die Veränderung der Motorsteuerung dem Hersteller nicht angezeigt, so besteht eine Aufklärungspflicht des Verkäufers, da sich hieraus das Risiko einer erschwerten Inanspruchnahme der Herstellergarantie im Mangelfall ergibt. Das gilt insbesondere dann, wenn sich die Art der Änderung der Motoreinstellung im Nachhinein nicht mehr feststellen lässt.
Normenkette
BGB §§ 434, 444
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 06.01.2015; Aktenzeichen 22 O 89/12) |
BGH (Aktenzeichen VIII ZR 286/15) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 23.12.2014 verkündete und am 06.01.2015 berichtigte Urteil der 22. Zivilkammer des LG Köln - 22 O 89/12 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Berufungsstreitwert wird auf 34.535,18 EUR festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten aus abgetretenem Recht des Herrn T (nachfolgend: Zedent) wegen Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufvertrages in Anspruch.
Am 03.09.2009 erwarb der Beklagte den Neuwagen B 3,0 TDI E3 Kombi, Fahrzeug-Ident-Nr. WxxZxx8K7xx06xxx8. Nach Ziffer 8 der Garantiebedingungen der B AG (Anlage HNH 12, Bl 48ff GA) besteht die zweijährige Garantieverpflichtung "nicht, wenn der Mangel dadurch entstanden ist, dass... das Fahrzeug in einer von der B AG nicht genehmigten Weise verändert worden ist (z.B. Tuninig)". Gemäß einem von der B AG zur Verfügung gestellten Formular "Meldung zu Veränderungen am Fahrzeug" (Anlage HNH 13, Bl 51 GA) können der B AG entsprechende Maßnahmen zwecks Überprüfung, ob dadurch die Garantie beeinträchtigt wird, mitgeteilt werden.
Bei einem Kilometerstand von 2.948 ließ der Beklagte am 23.11.2009 von der Firma E GmbH Arbeiten an der Motorsteuerung vornehmen, so wie er dies bei seinen Fahrzeugen stets handhabt. Eine Mitteilung an die B AG erfolgte nicht.
Am 07.10.2010 veräußerte der Beklagte das Fahrzeug mit einer Laufleistung von 35.899 km an den Zedenten zum Preis von 38.000,- EUR. Gemäß dem ausgefüllten "B2-Kaufvertrag für den privaten Verkauf eines gebrauchten Kraftfahrzeuges" (Anlage HNH 1 im Anlagenheft) wurde die Sachmängelgewährleistung ausgeschlossen. Über die erfolgten Arbeiten an der Motorsteuerung wurde der Zedent nicht in Kenntnis gesetzt.
Nachdem die Klägerin das Fahrzeug bei einem Tacho-Stand von 38.832 km am 15.01.2011 von dem Zedenten erworben hatte, veräußerte sie dieses am 08.06.2011 mit einer Laufleistung von 40.321 km an den E2 - eine Körperschaft des öffentlichen Rechts - weiter. Während der Nutzung durch den E2 trat bei dem Fahrzeug im September 2011 bei einem Tacho-Stand von rund 55.000 km ein Zylinderkopfschaden auf. Bei der Überprüfung des Fahrzeugs durch eine B-Werkstatt stellte diese mittels eines Diagnosesteckers fest, dass Veränderungen an der Motorsteuerung vorgenommen worden waren.
Der E2 erklärte daraufhin mit Schreiben vom 21.09.2011 gegenüber der Klägerin im Hinblick auf ein "Chip-Tuning" die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung und vorsorglich zugleich den Rücktritt. Die Klägerin stimmte der Rückabwicklung zu und erklärte ihrerseits mit Schreiben vom 07.10.2011 gegenüber dem Zedenten den Rücktritt vom Kaufvertrag. Der Zedent sprach gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 21.10.2011 die Anfechtung des Kaufvertrages vom 07.10.2010 wegen arglistiger Täuschung und hilfsweise den Rücktritt aus. Dabei berief er sich darauf, dass die nicht offenbarte Veränderung am Motorsteuerungsgerät zu einer höheren Beanspruchung der Fahrzeugteile und zum Erlöschen der Herstellergarantie auf den Motor geführt habe. Die sich aus der Anfechtung ergebenden Ansprüche trat der Zedent mit Abtretungsvereinbarung vom 21.10.2011 an die Klägerin ab. Das Fahrzeug befindet sich seitdem bei der Klägerin.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.11.2011 forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung von 34.535,18 EUR (Kaufpreis iHv 38.000 EUR abzüglich 3.464,82 EUR Nutzungsentschädigung für die von dem Zedenten mit dem Fahrzeug zurückgelegten 19.249 km) gegen Fahrzeugrücknahme ...