Leitsatz (amtlich)
1. Aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 3.4.2008 (NJW 2008, 1935) zur Zahlungsverzugsrichtlinie sind die §§ 269, 270, 286 BGB spätestens für die Zeit ab dem 8.8.2002 richtlinienkonform dahin auszulegen, dass es für die Rechtzeitigkeit einer Zahlung durch Banküberweisung auf den Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers ankommt.
2. Zum Vertrauensschutz für Altfälle.
Verfahrensgang
LG Bonn (Entscheidung vom 03.06.2008; Aktenzeichen 11 O 12/07) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 3.6.2008 verkündete Teilurteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn - 11 O 12/07 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 48.146,85 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage hinsichtlich der für Rechnungen aus dem Jahr 2006 geltend gemachten Beträge abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 6 % und die Beklagte zu 94 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien sind Telekommunikationsunternehmen. Sie streiten über Zinsansprüche der Klägerin wegen angeblich verspäteter Zahlungen der Beklagten.
Zwischen den Parteien besteht ein im Jahr 1999 geschlossener und in der Folgezeit mehrfach geänderter Fakturierungs- und Inkassovertrag ("F+I-Vertrag", Anl. K 1). Die jeweils erbrachten Leistungen stellen die Parteien sich wechselseitig in Rechnung und verrechnen daraus resultierende Rechnungsentgelte; nach Verrechnung etwa verbliebene restliche Rechnungsbeträge werden im Bankverkehr überwiesen.
Die maßgebliche Klausel über Zahlung und Verzug in der "Leistungsbeschreibung Fakturierung und Inkasso" der Beklagten Stand März 2001 (Anl. K 3) und Stand September 2002 (vgl. GA 72) lautete:
"8. Abrechnung zwischen den Vertragsparteien
Der Vertragspartner kann jeweils in der Mitte und am Ende eines Kalendermonats in einer Rechnung die von ihm gelieferten und von der E. U. als fakturierbar erkannten Nettoentgelte zu den Leistungen zuzüglich Umsatzsteuer mit der E. U. abrechnen. .... Der Rechnungsbetrag muss spätestens am 30. Tag nach dem Zugang der Rechnung auf dem in der Rechnung angegebenen Konto gutgeschrieben oder verrechnet sein."
Für das Jahr 2006 gilt gem. "Leistungsbeschreibung Fakturierung und Inkasso Stand: Januar 2006" (Anl. B 5) folgende Regelung:
"8. Abrechnung zwischen den Vertragsparteien
Der Vertragspartner kann jeweils in der Mitte und am Ende eines Kalendermonats in einer Rechnung die von ihm gelieferten und von U.-D als fakturierbar erkannten Nettoentgelte zu den Leistungsdaten zuzüglich Umsatzsteuer mit U.-D abrechnen.....Der Rechnungsbetrag wird mit Zugang der Rechnung fällig und ist auf das in der Rechnung angegebene Konto zu zahlen. Der Verzug tritt ein, wenn nicht innerhalb von 30 Tagen nach Rechnungszugang geleistet worden ist. Fällt der dreißigste Tag auf einen Samstag, Sonntag oder einen am Leistungsort staatlich anerkannten Feiertag, so ist die Zahlung bis zum Ablauf des darauf folgenden Werktages zu leisten."
Zwischen der Beklagten und einem anderen Telekommunikationsunternehmen ist ein ähnlicher Rechtsstreit anhängig, in dem es ebenfalls um die Berechnung der Verzugszeiträume geht. Streitpunkte waren zum einen, ob § 193 BGB Anwendung findet, zum anderen, ob für die Rechtzeitigkeit der Leistung auf die Erteilung und Annahme des Überweisungsauftrages durch den Schuldner oder auf die Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers abzustellen ist. Das Landgericht hatte im Parallelverfahren durch Urteil vom 1.4.2005 der dortigen Klage überwiegend stattgegeben. Es hatte § 193 BGB für nicht anwendbar gehalten. Hinsichtlich des Zeitpunktes der Leistung hat es §§ 270, 269 BGB im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 lit. c)ii) der Richtlinie 2000/35/EG vom 29.6.2000 zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr (Zahlungsverzugsrichtlinie) dahingehend ausgelegt, dass es auf die Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers ankomme. Diese Richtlinie war bis 8.8.2002 von den Mitgliedsstaaten umzusetzen.
Der Bundesgerichtshof hat im Parallelverfahren auf die Revision der Beklagten durch Urteil vom 1.2.2007 - III ZR 159/06 - (BGHZ 171, 33) entschieden, dass § 193 BGB sowohl für Fristen, nach deren Ablauf die Fälligkeit einer Forderung eintrete, als auch für Fristen, nach deren Ende der Verzug beginne, gelte. Der Europäische Gerichtshof hat durch Urteil vom 3.4.2008 - C-306/06 - (NJW 2008, 1935) entschieden, dass nach der Richtlinie die Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers für die Rechtzeitigkeit der Zahlung und das Ende des Verzugs maßgeblich ist.
Die Parteien streiten unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesgerichtshof...