Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit der AGB bei Vielfliegerprogramm einer Fluggesellschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nimmt der Teilnehmer eines Prämienprogramms für sich das Recht in Anspruch, entgegen einem in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Betreibers enthaltenen Übertragungsverbot einen Anspruch auf Prämien oder gesammelte Punkte zu veräußern oder sonst zu übertragen, kann er zur Darlegung des Feststellungsinteresses i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO nicht auf den Nachweis eines konkret geschlossenen oder beabsichtigten Geschäfts verwiesen werden.

2. Weiß der eine Partner eines Rahmenvertrags oder rechnet er damit, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verwenders bisher nicht Vertragsbestandteil des Rahmenvertrags geworden sind, muss er den § 305 Abs. 2 BGB entsprechenden Antrag des Verwenders, die für den gesamten Rahmenvertrag verfassten Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Abschluss eines Einzelvertrags einzubeziehen, dahin verstehen, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen insgesamt und damit auch für den Rahmenvertrag gelten sollen. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Prämienprogramm Gegenstand des Rahmenvertrags ist, für das das dispositive Recht keine besonderen Regelungen bereit hält.

3. Der Kundenbindung dienende formularmäßige Veräußerungs- und Übertragungsverbote sind bei einem Prämienprogramm gerechtfertigt, sofern sie sich auf den Zeitraum vor dem Einsammeln der erforderlichen Punktezahl beziehen, in dem der Teilnehmer noch die für die Realisierung des Rabatts und der wertmäßiger Rückvergütung vorausgesetzte Mindestleistung des Betreibers in Anspruch nehmen muss.

4. Nach Prämienreife kann sich ein formularmäßiges Verbot, Prämienansprüche oder Punkte zu veräußern oder zu übertragen, als unangemessen darstellen. Insbesondere kann es zur Herbeiführung der angestrebten Kundenbindung ungeeignet sein, weil sich ein mit dem eigenen Erleben der Prämie verbundener, dem Betreiber günstiger psychisch-emotionaler Effekt gegenüber solchen Kunden, für die der wirtschaftliche Werte der Prämie im Vordergrund steht und die eine Veräußerung des Prämienanspruchs überhaupt erwägen, nicht erzwingen lässt.

5. Verleiht ein Vertragspartner dem anderen innerhalb eines Rechtsverhältnisses einen befristeten besonderen Status, dessen Erlangung mit erheblichen Aufwendungen einhergeht und der mit geldwerten Vorteilen verbunden ist, darf der andere Teil dieses Verhalten regelmäßig dahin verstehen, dass ihm der besondere Status innerhalb des Zeitraums nicht ohne Grund entzogen werden darf und zwar auch nicht über eine an keine Voraussetzungen geknüpfte Kündigung des Grundverhältnisses.

6. Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Prämienprogramms enthaltene Klausel, dass gesammelte Punkte, sofern sie nicht innerhalb von 36 Monate eingelöst werden, zum nächsten Quartalsende verfallen, ist nicht unangemessen

 

Normenkette

BGB §§ 305 ff.

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 23.02.2012; Aktenzeichen 14 O 245/11)

BGH (Aktenzeichen ZR X 79/13)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 28.10.2014; Aktenzeichen X ZR 79/13)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 23.2.2012 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des LG Köln - 14 O 245/11 - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Mitgliedschaft des Klägers in dem Vielfliegerprogramm N der Beklagten nicht beendet worden ist, sondern fortbesteht.

Es wird festgestellt, dass dem Kläger der Status eines I nicht wirksam entzogen worden ist, sondern fortbesteht.

Es wird festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, Meilen des Vielfliegerprogramms N der Beklagten an Dritte zu übertragen.

Es wird festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, Prämiendokumente an Personen zu übertragen, mit denen er nicht durch eine gegenseitige Beziehung verbunden ist.

Es wird festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, Prämiendokumente zu verkaufen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

 

Gründe

A.I. Der Kläger beteiligte sich am Vielflieger- und Prämienprogramm N der beklagten Fluggesellschaft. Im Juni 2010 erkannte ihm die Beklagte bis zum 28.2.2013 den besonderen und zugleich höchsten Vielflieger-Status eines I zu, für den 600.000 sog. I Meilen in zwei aufeinander folgenden Kalenderjahren gesammelt werden müssen und mit dem bestimmte Vorteile verbunden sind, insbesondere eine zeitlich unbeschränkte Gültigkeit gesammelter Meilen, 25 % mehr an Meilen, eine höchste Wartenlistenpriorität, ein Zugang zu bestimmten Lounges und zum First Class Terminal in G und zumindest eine beste Flugprämienverfügbarkeit, nach dem bestritten...

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