Entscheidungsstichwort (Thema)
"Afghanistan-Papiere"
Leitsatz (amtlich)
1. "Unterrichtungen des Parlaments" ("UdP") über die Auslandseinsätze der Bundeswehr nach § 6 Abs. 1 ParlBG ("Afghanistan-Papiere") stellen urheberrechtsfähige Sprachwerke gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG dar.
2. Beschränkt sich das Internetportal eines Zeitungsverlages darauf, die militärischen Lageberichte in systematisierter Form einzustellen und zum Abruf bereitzuhalten, liegt weder eine Berichterstattung über Tagesereignisse i.S.v. § 50 UrhG noch ein zulässiges Zitat i.S.v. § 51 UrhG vor. Neben der Auslegung und Anwendung der urheberrechtlichen Vorschriften bedarf es keiner gesonderten Grundrechtsabwägung. Die Abwägung hat vielmehr im Rahmen der Auslegung und Anwendung der Schrankenregelungen der §§ 50, 51 UrhG zu erfolgen.
3. Nach der in diesem Rahmen vorzunehmenden Abwägung überwiegen die Presse- und Informationsfreiheit des Presseorgans gegenüber den Verwertungs- und Geheimhaltungsinteressen des Urhebers der "Afghanistan-Papiere" nicht in dem Sinne, dass die Veröffentlichung der gesamten und ungekürzten "UdP" ohne eigene inhaltliche Auseinandersetzung oder journalistische Bearbeitung von dem Zweck der urheberrechtlichen Schrankenbestimmungen des Zitatrechts gedeckt ist.
Normenkette
UrhG § 97 Abs. 1, § § 50 ff., § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 5
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 02.10.2014; Aktenzeichen 14 O 333/13) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 2.10.2014 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des LG Köln - 14 O 333/13 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zu. Ziff. 1. wie folgt lautet:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen,
die auf dem Datenträger Anlage K1 befindlichen und über den Pfad "DieAfghanistanPapiere-Mirror-zip/data/images/thumb" seitenweise abrufbaren, als "Afghanistan Papiere" bezeichneten Schriftstücke ganz oder in Teilen ohne Zustimmung der Klägerin im Internet zu veröffentlichen und/oder veröffentlichen zu lassen und/oder zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen und/oder öffentlich zugänglich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen, wenn dies geschieht, wie unter http://afghanistan.XXX.org/geschehen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des LG sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit leistet. Die Sicherheit beträgt hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs 50.000 EUR, im Übrigen 110 % des auf Grund der Urteile vollstreckbaren Betrags.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht einen Unterlassungsanspruch wegen der unberechtigten Einstellung von militärischen Lageberichten im Internet geltend.
Die Klägerin lässt wöchentlich eine Unterrichtung des Parlaments gem. § 6 Abs. 1 ParlBG über die Auslandseinsätze der Bundeswehr und die dortigen Entwicklungen erstellen. Die jeweiligen Berichte werden von der Klägerin unter der Bezeichnung "Unterrichtung des Parlaments" (im Folgenden: UdP) ausschließlich an ausgewählte Abgeordnete des Deutschen Bundestages, Referate im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) und in anderen Bundesministerien sowie an dem BMVg nachgeordnete Dienststellen übersandt. Die Berichte werden gem. § 4 Abs. 2 SÜG als Verschlussache für den Dienstgebrauch eingestuft und entsprechend gekennzeichnet. Die Einstufung "VS - nur für den Dienstgebrauch" ist die niedrigste von vier Geheimhaltungsstufen in der Bundesrepublik Deutschland. Daneben veröffentlicht die Klägerin inhaltlich gekürzte Fassungen der UdP als "Unterrichtung der Öffentlichkeit" (UdÖ).
Am 27.9.2012 beantragte die Beklagte durch ihren Leiter Ressort Recherche, Herrn T, die Einsichtnahme in die Unterrichtung des Parlaments über die Auslandseinsätze der Bundeswehr vom 1.9.2001 bis zum 26.9.2012 unter Berufung auf das IFG. Der Antrag wurde unter Hinweis auf die Sicherheitsrelevanz des Materials gem. § 3 Nr. 1b IFG abgelehnt.
Die Beklagte gelangte auf der Klägerin unbekanntem Weg an die streitgegenständlichen Berichte, wobei sich der Kreis der Übermittler auf Bedienstete der Klägerin oder Bundestagsabgeordnete beschränken lässt. Seit dem 27.11.2012 veröffentlicht die Beklagte die streitgegenständlichen UdP im Internet auf dem Portal http://afghanistan.XXX.org/. Veröffentlicht werden UdP aus den Jahren 2005 bis 2012, die als eingescannte Seiten betrachtet werden können.
Die Klägerin ließ die Beklagte daraufhin mit Schreiben vom 11.3.2013 unter Verweis auf eine Verletzung des Veröffentlichungsrechts gem. § 12 UrhG abmahnen und zur Löschung der I...