Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der privaten Krankentagegeldversicherung
Leitsatz (redaktionell)
Von bedingungsgemäßer krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ist nicht auszugehen, wenn zwar eine psychische Erkrankung besteht, diese wegen Mobbings aber quasi arbeitsplatzbezogen ist und der Versicherungsnehmer in der Lage wäre, seinen Beruf an einem anderen Arbeitsplatz auszuüben.
Normenkette
AVB §§ 1, 1 Nrn. 1-2, § 15b
Verfahrensgang
LG Köln (Entscheidung vom 16.03.2005; Aktenzeichen 23 O 287/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16. März 2005 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 23 O 287/03 - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die zwischen den Parteien bestehende Krankentagegeldversicherung Nr. xxxx1 nicht wegen Eintritts der Berufsunfähigkeit beendet worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen einschließlich der Kosten der Streithelferin trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die 1953 geborene Klägerin ist seit 1977 als angestellte Gymnasiallehrerin in der Sekundarstufe 1 für die Fächer Chemie und Mathematik berufstätig. Sie unterhält bei der Beklagten eine Krankentagegeldversicherung. Anfang April 2002 erlitt sie am Arbeitsplatz einen Zusammenbruch und begab sich in allgemeinärztliche und psychiatrische ambulante Behandlung. Sie wurde im Wesentlichen wegen "reaktiver Depression nach jahrelangem Mobbing" krankgeschrieben. In der Zeit vom 10.09.2002 bis 22.10.2002 unterzog sie sich einer stationären Heilbehandlung in der I. in Bad A.. Dort wurden eine schwere depressive Anpassungsstörung sowie eine Somatisierungsstörung diagnostiziert. Im Entlassungsbrief heißt es unter Punkt 10 sozialmedizinische Epikrise:
Bei der Patientin besteht eine schwere depressiv-ängstliche Anpassungsstörung mit Somatisierungsneigung bei einer anhaltenden beruflichen Konfliktsituation. Hierüber ist die Patientin mittlerweile derart destabilisiert, dass sie auch im privaten Alltag aufs Deutlichste eingeschränkt ist. Von einer Rückkehr in den beruflichen Alltag sollte derzeit und auch mittelfristig zunächst abgesehen werden, damit die Patientin unter fortlaufender ambulanter Psychotherapie Zeit und Gelegenheit hat, sich weiter zu stabilisieren. Für den Beruf der Lehrerin, aber auch für andere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt halten wir die Patientin für vollschichtig leistungsfähig.
Die Klägerin blieb der Arbeit fern und ließ sich weiterhin psychiatrisch ambulant behandeln. Die Beklagte ließ die Klägerin ärztlich untersuchen. Ihr Vertrauensarzt Dr. J. vertrat nach Untersuchung der Klägerin mit Schreiben vom 28.01.2003 die Auffassung, die Klägerin sei noch für mindesten 4 Wochen arbeitsunfähig. Nach einer weiteren Untersuchung hielt er sie wegen einer therapieresistenten rezidivierenden depressiven Störung mit Wirkung ab 5. Mai 2003 für berufsunfähig. Die Beklagte verweigerte daraufhin mit Verweis auf § 15b AVB ab 5. August 2003 die Zahlung des vereinbarten Tagegeldes in Höhe von 76,69 €.
Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage Zahlung von Krankentagegeld, weil sie krankheitsbedingt vollständig arbeitsunfähig sei, berufsunfähig sei sie dagegen nicht, weswegen die Tagegeldversicherung auch nicht nach § 15b AVB, der ohnehin unwirksam sei, beendet worden sei.
Sie hat beantragt,
1.
festzustellen, dass das zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehende Versicherungsverhältnis bezüglich der Krankentagegeldversicherung mit der Unternummer 31, Versicherungsnummer xxxx1, nicht spätestens am 04.08.2003 endet, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus weiter fortbesteht;
2.
die Beklagte zu verurteilen, an sie 76,69 € pro Tag für die Zeit vom 05.08.2003 bis zum 30.11.2004 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.070,63 € seit dem 01.09.2003, aus 2.300,70 € seit dem 01.10.2003, aus 2.377,39 € seit dem 01.11.2003, aus 2.300,70 € seit dem 01.12.2003, aus 2.377,39 € seit dem 01.01.2004, aus 2.377,39 € seit dem 01.02.2004, aus 2.224,01 € seit dem 01.03.2004, aus 2.377,39 € seit dem 01.04.2004, aus 2.300,70 € seit dem 01.05.2004, aus 2.377,39 € seit dem 01.06.2004, aus 2.300,70 € seit dem 01.07.2004, aus 2.377,39 € seit dem 01.08. und 01.09.2004, aus 2.300,70 € seit dem 01.10.2004, aus 2.377,39 € seit dem 01.11.2004 und aus 2.300,70 € seit dem 01.12.2004 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf den ärztlichen Befund des Dr. J. berufen, wonach die Klägerin berufsunfähig sei. Hilfsweise hat sie eine vollständige Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bestritten und die Aufrechnung mit Beitragsrückständen in Höhe von 42,60 € erk...