Entscheidungsstichwort (Thema)
"Angina pectoris": Arzneimittelwerbung bei eingeschränkter Zulassung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Aufdruck "Arzneimittel zur Behandlung des Bluthochdrucks und der Angina pectoris" auf der äußeren Verpackung eines Medikaments stellt Werbung i.S.d. § 3a HWG dar (Ergänzung zu BGH v. 19.3.1998 - I ZR 173/95, MDR 1998, 1495 = GRUR 1998, 959 - Neurotrat forte; und BGH v. 21.9.2000 - I ZR 12/98, MDR 2001, 406 = GRUR 2001, 176 - Myalgien).
2. Der vorgenannte Aufdruck ist auch irreführend i.S.d. § 3 S. 1 HWG, wenn das Medikament nicht für alle klinisch bekannten Formen der Angina pectoris zugelassen ist (hier: nicht für instabile Angina pectoris).
3. Die Bestimmungen des HWG sind Vorschriften, die das Marktverhalten gem. § 4 Nr. 11 UWG regeln. Der Verletzer kann insoweit nicht einwenden, die zuständige Zulassungsbehörde (BfArm) habe den Packungsaufdruck nicht beanstandet, wenn ihr die Gründe dafür nicht bekannt sind.
Normenkette
HWG §§ 3, 3a; AMG § 10 Abs. 1, § 11a; UWG §§ 3, 4 Nr. 11
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 05.10.2004; Aktenzeichen 33 O 177/04) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 5.10.2004 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des LG Köln - 33 O 177/04 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte die unter Ziff. 3) tenorierten Auskünfte erst für die Zeit ab Dezember 2003 zu erteilen hat und erst für die Zeit ab Dezember 2003 gem. Ziff. 4) zum Schadensersatz verpflichtet ist.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien stehen als Pharmahersteller miteinander im Wettbewerb. Die Klägerin stellt her und vertreibt das u.a. gegen essentielle Hypertonie zugelassene Arzneimittel O.. Die Beklagte ist Herstellerin von B. T., das sie in den beiden Stärken 5 mg und 10 mg vertreibt.
Das Präparat B.T. der Beklagten ist für folgende Anwendungsgebiete zugelassen:
- Bluthochdruck (essentielle Hypertonie)
- Chronisch stabile Angina pectoris (Belastungsangina)
- Vasospastische Angina pectoris (Prinzmetal-Angina, Variant-Angina).
Angina pectoris tritt klinisch in den Formen der stabilen Angina pectoris, der instabilen Angina pectoris und der Prinzmetal-Angina auf. Für die Form der instabilen Angina pectoris besitzt das Medikament der Beklagten keine Zulassung. Es heißt dazu in der Gebrauchsinformation des Präparates (unter Ziff. 2.1) vielmehr ausdrücklich, B.T. dürfe bei instabiler Angina pectoris nicht angewendet werden.
Die Beklagte vertreibt das Präparat B.T. in beiden Dosierungen (5 mg und 10 mg) in einer äußeren Verpackung, die die Aufschrift "Arzneimittel zur Behandlung des Bluthochdrucks und der Angina pectoris" aufweist. In einer Werbeanzeige für das verschreibungspflichtige Medikament, die sich an Ärzte und Apotheker richtet, und wegen deren näherer Ausgestaltung auf die Anlage K 6 zur Klageschrift verwiesen wird, war die äußere Verpackung von B.T. 10 mg so abgebildet, dass die vorzitierte Aussage lesbar war. Die Klägerin sieht in der Packungsaufschrift einen Verstoß gegen § 3a HWG und zugleich gegen §§ 3 HWG, 1, 3 UWG a.F., weil tatsächlich nicht alle Erscheinungsformen der Angina pectoris von der der Beklagten erteilten Zulassung erfasst seien. Zugleich liege ein Verstoß gegen §§ 10 Abs. 1 S. 3, 11a AMG i.V.m. § 1 UWG a.F. vor, weil die Aufschrift die Verwendung des Medikamentes für alle Formen der Angina pectoris bewerbe, während das Präparat tatsächlich für die instabile Angina pectoris kontraindiziert sei.
Die Klägerin hat in dem vorausgegangenen Verfahren 33 O 70/04 LG Köln eine einstweilige Verfügung erwirkt, durch die es der Beklagten untersagt worden ist, Fertigarzneimittel mit dem arzneilich wirksamen Bestandteil B1 (Zulassungs-Nr. ... und Zulassungs-Nr. ...) mit der Angabe: "Arzneimittel zur Behandlung des Bluthochdrucks und der Angina pectoris" zu bewerben, insb. wenn dies wie auf der - in dem Tenor der einstweiligen Verfügung bildlich wiedergegebenen - äußeren Verpackung des Präparates geschieht. Im vorliegenden Hauptsacheverfahren macht die Klägerin denselben Unterlassungsanspruch geltend und verlangt zudem Auskünfte sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten.
Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, der Packungsaufdruck stelle lediglich eine Zuordnungshilfe und keine Werbung dar, zudem habe die Zulassungsbehörde den Aufdruck nicht beanstandet und könne ein von einer zuständigen Behörde zugelassenes Verhalten nicht als unlauter angesehen werden. Sie hat Widerklage erhoben, mit der sie die Feststellung der Pflicht der Klägerin erstrebt, ihr den durch die Vollziehung der einstweilig...