Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflichtteilsrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Besteht objektiv eine Wertdifferenz zwischen Leistung und Gegenleistung, so ist zu prüfen, ob die Bewertung der Leistungen durch die Vertragspartner bei verständiger Würdigung der konkreten Umstände (noch) vertretbar war.

2. Bei einem auffallend groben Mißverhältnis zwischen dem vereinbarten und dem wirklichen Wert der beiderseitigen Leistungen spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, daß die Vertragspartner sie erkannt haben und sich über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung des Mehrbetrages einig waren.

3. Es ist dann Sache des Erben, Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, die geeignet sind, diese tatsächliche Vermutung im Wege des Gegenbeweises zu entkräften.

 

Normenkette

BGB § 2325

 

Verfahrensgang

LG Köln (Teilurteil vom 26.03.1996; Aktenzeichen 27 O 482/93)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 26. März 1996 verkündete Teilurteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 27 O 482/93 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin zu 2. kann von der Beklagten gemäß § 2325 Abs. 1 BGB die Zahlung von 46.875,00 DM als Ergänzung ihres Pflichtteils am Nachlaß ihres Vaters verlangen. Dieser hat der Beklagten den ihm gehörenden hälftigen Miteigentumsanteil an den Grundstück „A.d.B.” in B.G. geschenkt.

Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, der Übertragung des Miteigentumsanteils ständen gemäß dem notariellen Vertrag vom 11. November 1992 von ihr schon erbrachte Leistungen und ihre Verpflichtung zu weiteren Leistungen gegenüber, die jedenfalls nach der Bewertung der Vertragsparteien diese als gleichwertig angesehen hätten.

1. Für eine Schenkung ist die objektive Bereicherung des Empfängers aus dem Vermögen des Erblassers und die Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung erforderlich (Palandt, BGB, 54. Aufl., § 2325 Rn. 7). Der Anspruchsteller hat die Schenkung sowie deren Wert darzulegen und zu beweisen (Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, § 2325 Rn. 1, 10). Besteht objektiv eine Wertdifferenz zwischen Leistung und Gegenleistung, so ist zu prüfen, ob die Bewertung der Leistungen durch die Vertragspartner bei verständiger Würdigung der konkreten Umstände (noch) vertretbar war (BGH FamRZ 1981, 765). Ergibt sich daraus eine Überbewertung, so stellt der Wertunterschied möglicherweise eine Teilschenkung dar. Der Anspruchsteller hat dann weiter zu beweisen, daß sich die Vertragspartner über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung des Mehrwertes einig gewesen sind. Bei einem auffallend groben Mißverhältnis zwischen dem vereinbarten und dem wirklichen Wert der beiderseitigen Leistungen spricht indessen eine tatsächliche Vermutung dafür, daß die Vertragspartner sie erkannt haben und sich über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung des Mehrbetrages einig waren. Es ist dann Sache des Erben, Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, die geeignet sind, diese tatsächliche Vermutung im Wege des Gegenbeweises zu entkräften (BGHZ 59, 139).

Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze ist im Streitfall eine Schenkung anzunehmen.

a) Der Sachverständige B. hat in seinem Gutachten vom 21. Oktober 1994 (Bl. 49 Anlagenhefter = AH) den Verkehrswert des Hausgrundstücks, bezogen auf September 1994, mit 425.000,00 DM ermittelt (Bl. 56 AH). Hierbei ist das eingetragene Nießbrauchsrecht nicht berücksichtigt. Die Beklagte selbst hat im Schriftsatz vom 23. Januar 1996 (Bl. 72 GA) von diesem Wert ausgehend den hälftigen Wert des Grundstücks mit 212.500,00 DM angegeben und die auf dem Grundstück lastende Grundschuld von 50.000,00 DM abgezogen. Die Klägerin zu 2. hat diese Wertangabe im Schriftsatz vom 05. Februar 1996 (Bl. 79 GA) übernommen und daraus einen Anspruch von 46.875,00 DM errechnet. Mit diesem beiderseitigen Vortrag ist im Termin vom 27. Februar 1996 vor dem Landgericht verhandelt worden. Insoweit liegt beiderseits ein Geständnis im Sinne des § 288 ZPO vor. Die Beklagte ist hieran auch in II. Instanz gemäß § 532 ZPO gebunden. Die Voraussetzungen für einen Widerruf sind nicht dargetan. Zwar hat der Sachverständige, ausgehend von einem Bodenrichtwert von 250,00 DM pro qm zum 31. Dezember 1993 für den Bewertungsstichtag eine Preissteigerung von 20,00 DM pro qm hinzugerechnet. Die Beklagte meint, diese müsse abgezogen werden, und außerdem ein Abschlag gemacht werden, weil der Erblasser bereits am 04. Dezember 1992 verstorben sei. Der Senat hat durchgreifende Bedenken so zu verfahren, weil der Bodenwert gegen Null ginge, wenn man etwa 12 Jahre auf diese Weise linear zurückrechnete. Da die Beklagte in I. Instanz selbst den Verkehrswert des Grundstücks zum Zeitpunkt des Erbfalls mit 425.000,00 DM angegeben hat, muß sie sich hieran festhalten lassen.

Das selbe gilt für die Frage, in welcher Höhe die Grundschuld bei Erbfall valutierte.

Der vorgenannte Wert gilt sowohl für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses vom 11. November 1992 als auch für de...

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