Entscheidungsstichwort (Thema)
Pkw-Verkauf nach Tageszulassung
Leitsatz (amtlich)
1. "Neue" Personenkraftfahrzeuge i.S.d. § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV sind auch Pkw mit sog. Tageszulassung.
2. Die in Anlage 4 Abschnitt I Nr. 3 zu § 5 Pkw-EnVKV vorgesehene Befreiung von der Pflicht, in der Werbung Angaben über Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen zu machen, gilt nicht bei der Werbung für bestimmte, durch Varianten- und Versionsbezeichnungen konkretisierte Modelle (wie OLG Oldenburg v. 14.9.2006 - 1 U 41/06, OLGReport Oldenburg 2007, 243 = WRP 2007, 96).
3. Die vorgenannten Bestimmung der Pkw-EnVKV sind Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG. Auch wenn sie die Kaufentscheidung der Verbraucher zugunsten umweltfreundlicher Pkw beeinflussen wollen, sind sie keine Umweltschutzvorschriften, deren Einfluss sich auf das Vorfeld des Wettbewerbs beschränkt.
4. Ein systematischer Verstoß gegen diese Vorschriften überschreitet die Bagatellgrenze.
Normenkette
Pkw-EnVKV § 1 Abs. 2, § 5 Abs. 1; Richtlinie 1999/94 EG; UWG §§ 3, 4 Nr. 11
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 31.10.2006; Aktenzeichen 33 O 215/06) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 31.10.2006 verkündete Urteil des LG Köln - 33 O 215/06 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann jedoch die Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs durch Sicherheitsleistung i.H.v. 10.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Vollstreckung des Zahlungs- und Kostenerstattungsanspruchs kann die Beklagte durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger (ein Wettbewerbsverband i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 13 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 UKlaG) verlangt von der Beklagten (einem Einzelhandelsunternehmen für Kraftfahrzeuge) es zu unterlassen, in der (im landgerichtlichen Urteil wiedergegebenen) Form von Inseraten im Kleinanzeigenteil/Motormagazin einer Tageszeitung für sechs konkret bezeichnete Kraftfahrzeuge mit einem Kilometerstand von 10 km zu werben, ohne gleichzeitig Angaben zum Kraftstoffverbrauch und/oder den CO2-Emissionen zu machen; daneben verlangt sie die Erstattung von Abmahnkosten.
Das LG, auf dessen Urteil wegen aller Einzelheiten verwiesen wird, hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit ihrer Berufung verfolgt diese ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie vertritt die Auffassung, der Verordnung über Verbraucherinformationen zu Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen neuer Personenkraftwagen vom 28.5.2004 (Pkw-EnVKV) nicht zuwidergehandelt zu haben, weil es sich bei den beworbenen Fahrzeugen nicht um "neue" Personenkraftwagen handle. Ferner macht sie geltend, nur mit Fabrikmarke und Fahrzeugtyp ohne Angaben zur Motorisierung geworben zu haben. Die in Betracht kommende konkrete Informationspflicht sei keine Marktverhaltensregel i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG, der gerügte Verstoß jedenfalls unerheblich und der Klageantrag zu unbestimmt. Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
II. Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das LG dem Kläger den geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG i.V.m. §§ 1 Abs. 2, 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV zuerkannt. Die Berufungsangriffe der Beklagten sind sachlich nicht gerechtfertigt.
1. Die beanstandete Werbung der Beklagten bezog sich auf neue Personenkraftwagen im Sinne der Verordnung und der damit umgesetzten Richtlinie 1999/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.1999 (ABl. 2000 Nr. L 12 S. 16).
a) Die auf die Entstehungsgeschichte der Richtlinie gestützte Auffassung der Berufung, dass in Deutschland bereits einmal (auf die Beklagte) zugelassene Pkw nicht mehr als "neu" gelten könnten, trifft nicht zu. Die Begriffsbestimmung in § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV, die Art. 2 Nr. 1 und 2 der Richtlinie entspricht, umfasst auch Pkw mit sog. Tageszulassung.
Der Vorschlag der Europäischen Kommission vom 3.9.1998 (ABl. 1998 Nr. C 305 S. 2) enthielt zu Art. 2 die Definition: "Neue Personenkraftfahrzeuge" sind Personenkraftfahrzeuge, die noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft wurden. Das Europäische Parlament schlug in 1. Lesung folgende Ergänzung vor (ABl. 1999 Nr. C 98 S. 252 f.): "Neue Personenkraftfahrzeuge" sind Personenkraftfahrzeuge, die noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft wurden, sowie Fahrzeuge mit Tageszulassung und Jahreswagen. Der vom Rat am 23.2.1999 festgelegte Gemeinsame Standpunkt (EG) Nr. 17/1999 (ABl. 1999 Nr. C 123 S. 1) übernahm den Kommissionsvorschlag mit der (gemäß der Begründung zu Nr. III C 2 einer Anpassung an bestehende gemeinschaftliche Rechts...