Verfahrensgang

AG Düren (Entscheidung vom 09.03.2016)

 

Tenor

Die Revision wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten darin erwachsenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Düren hat den Angeklagten mit Urteil vom 9. März 2016 wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen sowie unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen schuldig gesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus - auch wegen zwei weiterer im nicht ausschließbaren Zustand der Schuldunfähigkeit begangener Taten - angeordnet.

Auf die gegen dieses Urteil allein von dem Angeklagten eingelegte Berufung hat das Landgericht Aachen mit Urteil vom 5. September 2016 das angefochtene Urteil aufgehoben und den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung, versuchter räuberischer Erpressung, vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen schuldig gesprochen. An der Verhängung einer Jugendstrafe hat sich die Kammer, die sowohl die Voraussetzungen einer Unterbringung gemäß § 63 StGB als auch die einer solchen gemäß § 64 StGB verneint hat, trotz Bejahung schädlicher Neigungen gemäß § 17 Abs. 2 JGG wegen des Verbots der Schlechterstellung gemäß § 331 Abs. 1 StPO gehindert gesehen. Sie hat die Auffassung vertreten, dass insoweit auch eine dem § 358 Abs. 2 S 2 StPO entsprechende Regelung für das Berufungsverfahren fehle. Soweit der Gesetzgeber bei Einführung des § 358 Abs. 2 S 2 StPO durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 das der Verhängung einer Strafe bei Aufhebung der Unterbringung entgegenstehende Verbot der reformatio in peius im Berufungsverfahren nicht im Blick gehabt habe, stehe einer Übertragung des Rechtsgedankens des neu eingeführten § 358 Abs. 2 S 2 StPO auf das (Jugend-)Berufungsverfahren das in § 1 StGB verankerte Analogieverbot zu Lasten des Täters entgegen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt ist und mit der die Verletzung formellen Rechts gerügt wird. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Kammer zu Unrecht angenommen habe, sie habe aufgrund des Schlechterstellungsverbotes gemäß § 331 StPO keine Jugendstrafe gegen den Angeklagten verhängen dürfen. § 358 Abs. 2 S 2 StPO sei auf das (Jugend-)Berufungsverfahren analog anzuwenden, da es sich insoweit um eine unbeabsichtigte Regelungslücke des Gesetzgebers handele.

Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Revision beigetreten, hat die Revisionsbeschränkung als wirksam angesehen und darauf hingewiesen, dass zwar die Erhebung der Rüge der Verletzung formellen Rechts Bedenken begegne, weil es sich bei der Rüge der fälschlichen Anwendung des § 331 Abs. 1 StPO um ein Bestrafungsverbot handele, welches nicht generell die Durchführung des Verfahrens gegen den Angeklagten hindere, sondern lediglich seiner Bestrafung entgegenstehe. Tatsächlich werde aber die Nachprüfung des Urteils in sachlicher Hinsicht begehrt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Die gemäß § 55 Abs. 2 JGG statthafte Revision der Staatsanwaltschaft ist zulässig. Sie ist insbesondere mit der Rüge der fälschlichen Anwendung des in § 331 StPO verankerten Schlechterstellungsverbots ordnungsgemäß begründet worden. Da nämlich die Überprüfung der Anwendbarkeit des Verschlechterungsverbotes eine Auseinandersetzung mit dem materiell-rechtlichen Inhalt des Urteils erforderlich macht, ist damit zugleich die allgemeine Sachrüge erhoben. Soweit die Staatsanwaltschaft die von ihr im Einzelnen ausgeführte Rüge als "Verletzung formellen Rechts" bezeichnet, handelt es sich um eine unschädliche Falschbezeichnung, denn die Revisionsbegründung ist so auszulegen, dass der mit der Revision erstrebte Erfolg eintreten kann (vgl. BayObLG [06.11.02] NStZ-RR 2003, 87; Meyer-Goßner, StPO, 59. Auflage, § 344 Rn. 10).

2.

Die von der Staatsanwaltschaft erklärte Beschränkung der Revision auf den Rechtsfolgenausspruch ist wirksam; die tatrichterlichen Schuldfeststellungen bilden eine tragfähige Grundlage für die Bemessung der Rechtsfolgen (vgl. dazu BGHSt 43, 293, 300 = NJW 1998, 913, 915; BGH NStZ 1994, 130; st. Senatsrechtsprechung; vgl. SenE VRS 77, 452, 453). Der Schuldspruch ist mithin in Rechtskraft erwachsen.

3.

Hiervon ausgehend hat die Überprüfung der Rechtsfolgenentscheidung des angefochtenen Urteils anhand der Revisionsbegründung im Ergebnis keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler aufgedeckt. Das Rechtsmittel ist daher als unbegründet zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

Die Jugendkammer hat - was von der Revision auch nicht beanstandet wird - zunächst rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen für die Anordnung einer Maßregel nach §§ 63, 64 StGB verneint. Soweit sich die Revision (allein) gegen die Annahme der Kammer wendet, einer Verhängung von Juge...

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