Leitsatz (amtlich)
1. Der Architekt haftet nicht, wenn für ihn mit seinem Fachwissen nicht erkennbar ist, dass Anordnungen des Prüfingenieurs zu Mängeln des Bauwerks führen.
2. Es ist Sache den Bauherrn, den Architekten von dem Prüftermin in Kenntnis zu setzen, um ihm eine zeitnahe Überprüfung der von dem Prüfingenieur angeordneten Maßnahmen zur Mangelbeseitigung zu ermöglichen. Ist dies unterblieben, so haftet der Architekt nicht dafür, dass der Werkunternehmer die Anordnungen des Prüfingenieurs nicht umgesetzt und dem Architekten durch den Fortgang der Bauarbeiten eine zeitnahe Überprüfung im Rahmen der Bauüberwachung unmöglich gemacht hat.
Normenkette
BGB §§ 280, 634
Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 7 O 219/16) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten zu 1 wird das Urteil des Landgerichts Aachen (7 O 219/16) vom 10.07.2020 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die gegen den Beklagten zu 1 gerichtete Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden wie folgt verteilt:
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin zu 85 % und die Beklagte zu 2 zu 15 %.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 tragen die Klägerin zu 70 % und die Beklagte zu 2 zu 30 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 trägt die Klägerin.
Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz - einschließlich der Kosten der Streithilfe - trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten zu 1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zu 1 zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten zu 1 aus Architektenvertrag in Anspruch.
Wegen des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalts sowie der in erster Instanz gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Im Jahre 2011 ließ die Klägerin als Bauherrin das Bauvorhaben "Errichtung einer Konditorei mit Wohnhaus, A Str. 533, B" durchführen. Hierbei war der Beklagte zu 1 für die Klägerin als Architekt tätig und übernahm Planung und Bauleitung. Die Beklagte zu 2 und jetzige Streithelferin des Beklagten zu 1 führte die Rohbauarbeiten aus.
Am 06.05.2011 fand ein Ortstermin statt, im Rahmen dessen der Prüfingenieur für die Baustatik, Herr C, vertreten durch Herrn D, an mehreren Unterzügen Abweichungen bezüglich der Bügelbewehrungen von den geprüften Bewehrungsplänen feststellte. Unter anderem war an zwei Unterzügen auf einer Länge von jeweils etwa 70 cm vor dem jeweiligen Auflieger keine Bügelbewehrung eingebaut worden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Bauüberwachungsprotokoll Nr. 4 (Anl. K 2, Bl. 10-11 GA) Bezug genommen.
Ausweislich des Protokolls wurde die Streithelferin durch den Prüfstatiker zur Beseitigung der festgestellten Mängel aufgefordert. Bezüglich der Art der Mangelbeseitigung wurden der Streithelferin keine zwingenden Vorgaben gemacht. Vielmehr hielt der Prüfstatiker auf der Anlage zum Bauüberwachungsprotokoll (Bl. 11 GA) eine neben dem Rückbau mit Neuerstellung mögliche kostengünstigere Alternativmaßnahme fest.
Das Bauüberwachungsprotokoll wurde von Herrn D und einem Vertreter der Streithelferin unterzeichnet.
Bezüglich der erstellten Protokollausfertigungen heisst es im Protokoll:
"1. Ausfertigung: Bauaufsicht/Bauherr
2. Ausfertigung: Bauunternehmer
3. Ausfertigung: Prüfer"
Der Beklagte zu 1 war im Vorfeld von dem anstehenden Termin am 06.05.2011 nicht informiert worden.
Danach nahm er eine Kontrolle der Bewehrung der Unterzüge nicht vor. Auch überwachte er die Durchführung der der Streithelferin aufgegebenen Mängelbeseitigung nicht.
In der Folgezeit teilte die Streithelferin dem Prüfstatiker mit, dass sie die Mängel behoben habe. Dieser gab daraufhin die Bauteile zum Betonieren frei, was anschließend auch erfolgte.
In Wahrheit hatte die Streithelferin jedoch die Mängel nicht behoben, insbesondere weder die fehlende Bügelbewehrung ausgeführt noch andere Ersatzmaßnahmen vorgenommen.
Um die Standsicherheit des Gebäudes dennoch zu gewährleisten, ließ die Klägerin später Baustützen im Objekt aufstellen.
Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte zu 1 sei im Nachhinein seitens des Prüfstatikers im Wege der Protokollübersendung von den Ergebnissen des Ortstermins vom 06.05.2011 informiert worden. Den Beklagten zu 1 treffe ein Überwachungsverschulden.
Wegen der statischen Probleme seien die Räumlichkeiten nur sehr eingeschränkt nutzbar gewesen. Hierdurch sei ihr ein Mietausfallschaden in Höhe von 86.446,82 EUR entstanden.
Der Beklagte zu 1 hat behauptet, er habe die Bewehrung der in Rede stehenden Decke über dem Erdgeschoss am 29.04.2011, 02.05.2011 und 05.05.2011 überprüft. Insbesondere habe er am 29.04.2011 die Armierung der Unterzüge überprüft.
Von der Beanstandung durch den Prüfingenieur und den daz...