Verfahrensgang
LG Köln (Entscheidung vom 24.05.2011; Aktenzeichen 33 O 71/11) |
Tenor
1.) Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 24.5.2011 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln -33 O 71/11 - abgeändert:
Die Antragsgegnerin wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 €; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), es zu unterlassen,
ohne Einwilligung der Antragstellerin das nachstehende aufgeführte Bildnis zu vervielfältigen oder öffentlich zugänglich zu machen:
2.) Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Gründe
I.
Die Antragstellerin vertreibt unter den Bezeichnungen “Pippi„ und “Pippi Langstrumpf„ neben Merchandisingartikeln verschiedener Art unter anderem auch Karnevalskostüme. Die Antragsgegnerin ist die Einkaufs- und zentrale Servicegesellschaft eines Einzelhandelsdiscounters. Sie bezog von der Streithelferin eine Karnevalsperücke, die sie mit dem aus dem Tenor ersichtlichen Lichtbild bewarb. Die Antragstellerin stützt auf ihr zustehende Urheberrechte den Antrag, der Antragsgegnerin die Werbung mit diesem Lichtbild zu untersagen.
Das Landgericht hat auf den Widerspruch der Antragsgegnerin die zunächst antragsgemäß erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben und den Verfügungsantrag zurückgewiesen. Mit der Berufung begehrt die Antragstellerin den erneuten Erlass der einstweiligen Verfügung; die Antragsgegnerin und ihre Streithelferin verteidigen das angefochtene Urteil.
Im Übrigen wird von der Darstellung des Sachverhalts gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1, 542 Abs. 2 S. 1 ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung hat Erfolg und führt zum erneuten Erlass der einstweiligen Verfügung.
1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts fehlt es nicht an einem Verfügungsgrund. Insbesondere ist es nicht dringlichkeitsschädlich, dass die Antragstellerin im Jahr 2009 gegen die Veröffentlichung eines Lichtbildes unter der Bezeichnung “Lilly Kunterbunt„ nicht unter urheberrechtlichen Gesichtspunkten, sondern allein auf Markenrecht gestützt vorgegangen ist. Die Dringlichkeit ist nach den tatsächlichen Umständen zu beurteilen; auf rechtliche Erwägungen zur Unterscheidung verschiedener Streitgegenstände kommt es insofern nicht an. Es genügte daher, dass die Antragstellerin - wie in der mündlichen Verhandlung klargestellt worden ist - die Antragsgegnerin durch das damals erwirkte Verbot - trotz seiner Beschränkung - dazu veranlasst hat, das fragliche Produkt vollständig vom Markt zu nehmen. Damit hat die Antragstellerin ihre urheberrechtlichen Interessen gewahrt. Der Beurteilung, es sei der Antragstellerin mit der Verfolgung ihrer Urheberrechte nicht so dringend, kann der Senat daher nicht beitreten.
2. Der Antragstellerin steht ein Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG zu.
a) Die Antragstellerin ist aktivlegitimiert. Sie hat hinreichend glaubhaft gemacht, Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungs- und Leistungsschutzrechten zu sein, die sich aus der Schaffung der “Pippi Langstrumpf„-Romane ergeben. Nach dem von der Antragstellerin in deutscher Übersetzung vorgelegten Vertrag hat die Autorin der “Pippi Langstrumpf„-Romane, Astrid Lindgren, der Antragstellerin den gesamten Gewerbebetrieb, der auf ihrem literarischen Schaffen beruht, überlassen (Ziff. 2.1 des Vertrags), einschließlich der “Aktiva, Verträge, Rechte und Pflichten„ (Ziff. 3.1). Die Antragsgegnerin und insbesondere ihre Streithelferin haben zwar etliche Zweifel aufgezeigt, dass damit wirksam die Rechte zur Nutzung und zum Leistungsschutz am Werk Astrid Lindgrens übertragen worden sind. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, die für die Glaubhaftmachung ausreichend ist, spricht aber gleichwohl für eine wirksame Rechtsübertragung. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin zum einen selbst Artikel unter den Bezeichnungen “Pippi„ und “Pippi Langstrumpf„ vertreibt (die entsprechende Feststellung des Landgerichts haben die Antragsgegnerin und ihre Streithelferin nicht angegriffen) und zum anderen aus diesen Rechten in zahlreichen gerichtlichen Verfahren erfolgreich gegen Dritte vorgegangen ist. Dies wäre kaum erklärlich, wenn der Antragstellerin durch die fraglichen Verträge nicht die Rechte an dem Werk Astrid Lindgrens eingeräumt worden wären.
b) Die literarische Figur “Pippi Langstrumpf„ genießt urheberrechtlichen Schutz. Ein Sprachwerk gemäß § 2 Nr. 1 UrhG kann nicht nur hinsichtlich des Textes selbst Schutz genießen; geschützt ist vielmehr auch der Werkinhalt, einschließlich besonders gestalteter Figuren (Schricker/Loewenheim, UrhG, 4. Aufl., § 2 Rdn. 58; Axel Nordemann in Fromm/Nordemann, UrhG, 10. Aufl., § 2 Rdn. 102). Eine solche Figur muss “eine unverwechselbare Kombination äußerer Merkmale sowie von Eigenschaften, Fähigkeiten und typischen Verhaltensweisen besitz[en...