Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der Vertragsstrafe bei untersagter Zusendung einer E-Mail

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es stellt mit Blick auf das Nichtbestehen einer Marktbeobachtungspflicht keine grobfahrlässige, die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG widerlegende Unkenntnis des Antragstellers dar, wenn verantwortliche Mitarbeiter von einer größeren, sich wegen einzelner Aussagen als wettbewerbswidrig darstellenden Plakataktion keine Kenntnis genommen haben.

2. Treten in einer Flyer-Werbung für eine neue Kommunikationsform (hier: E-Postbrief) mehrere (hier: vier) fiktive Personen (Testimonials) auf und verkünden nach Aufzählung beispielhafter weitgespannter Verwendungsmöglichkeiten übereinstimmend: "Ich nutze jetzt für alles den E-Postbrief" so versteht der Verkehr diese Aussage dahin, dass alle Sendungen, die bisher mit herkömmlichen Briefen versendet werden konnten, nunmehr auch mit der neuen Kommunikationsform des E-Postbriefes übermittelt werden können.

3. Die Aussage "Alle wollen den E-Postbrief" für eine bundesweit geschaltete Werbung ist irreführend, wenn erst 1 Million Kunden sich für den E-Postbrief haben registrieren lassen.

 

Normenkette

UWG §§ 5, 12 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 09.02.2011; Aktenzeichen 84 O 287/10)

 

Tenor

1.) Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 9.2.2011 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des LG Köln - 84 O 287/10 - wird zurückgewiesen.

2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin bietet seit einiger Zeit einen sog. "E-Postbrief" an. Mit diesem - entgeltpflichtigen - elektronischen Brief können Daten in sichererer Form als mit der herkömmlichen E-Mail versendet werden. Allerdings erfüllt der E-Postbrief die Anforderungen des Signaturgesetzes nicht. Die mit ihm übermittelten Schriftstücke halten daher gem. § 126, 126a BGB bestehende Formerfordernisse nicht ein. Der E-Postbrief kann dem Empfänger auch wie ein herkömmlicher Brief übermittelt werden.

Der Versender eines E-Postbriefes muss bei der Antragsgegnerin registriert sein. Soll der Brief - was seine Hauptfunktion darstellen dürfte - über das Internet versendet und nicht dem Empfänger auf herkömmliche Weise zugestellt werden, so muss auch der Empfänger bei der Antragsgegnerin registriert sein. Zudem verwendet die Antragsgegnerin, um die Sicherstellung der Identität des Absenders zu erhöhen, ein TAN-Verfahren, das über das Handy abgewickelt wird. Der Versender muss daher über ein an ein Mobilfunknetz angeschlossenes Handy verfügen.

Die Antragstellerin, die demnächst ebenfalls einen derartigen elektronischen Brief anbieten will und dies bereits bewirbt, beanstandet drei Werbeaussagen der Antragsgegnerin für den E-Postbrief als irreführend. Das LG hat eine zunächst im Beschlusswege erlassene einstweilige Verfügung durch das angefochtene Urteil unter Klarstellung des Tenors in vollem Umfang bestätigt. Mit ihrer Berufung wiederholt und vertieft die Antragsgegnerin ihren erstinstanzlichen Vortrag, wonach Dringlichkeitsverlust eingetreten ist und der Verkehr durch keine der drei verfahrensgegenständlichen Äußerungen irregeführt wird.

II. Die Berufung ist zulässig, führt aber nicht zu einer Abänderung des zutreffenden Urteils. Es besteht hinsichtlich aller vier Anträge der Verfügungsgrund der Dringlichkeit sowie ein Verfügungsanspruch aus §§ 3, 5, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG.

1. Die erforderliche Dringlichkeit des Verfahrens wird gem. § 12 Abs. 2 UWG vermutet, weil alle vier Anträge mit den vorgenannten gesetzlichen Bestimmungen auf Ansprüche aus dem UWG gestützt sind.

Anhaltspunkte dafür, dass hinsichtlich der zu dem Antrag zu 2.) zusammengefassten beiden Anträge, die die Aussage "Alle wollen den E-Postbrief" betreffen, ein Verlust der Dringlichkeit eingetreten wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Aber auch hinsichtlich der beiden Anträge zu 1) und 3), die die Aussage "Ich nutze jetzt für alles den E-Postbrief" sowie den Umstand betreffen, dass die diesen Slogan verwendende Werbung auf die Notwendigkeit, dass der Absender über ein Mobiltelefon mit Mobilfunknummer verfügen muss, nicht hinweist, ist die Dringlichkeitsvermutung nicht widerlegt.

Die Vermutung der Dringlichkeit ist widerlegt, wenn der Antragsteller durch sein Verhalten selbst zu erkennen gibt, dass es ihm mit der Durchsetzung des Anspruchs nicht eilig ist (vgl. BGH GRUR 2000, 151 f. - "Späte Urteilsbegründung"). Ein solches Verhalten der Antragstellerin würde vorliegen, wenn sie nach Kenntnisnahme von dem Wettbewerbsverstoß durch die Antragsgegnerin zu lange mit der Antragstellung zugewartet hätte. Eine Kenntnis der Antragstellerin in dringlichkeitsschädlicher Zeit ist indes nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsgegnerin ist einzuräumen, dass mit Blick auf die entsprechende Regelung im Verjährungsrecht die Auffassung vertreten wird, für den Dringlichkeitsverlust genüge auch die grob fahrlässige Unkenntnis des Antragstellers von den den Wettbewerbsverstoß begründenden Umständen ...

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