Leitsatz (amtlich)
1. Hat sich der Vermieter einer Zahnarztpraxis die Verpflichtung zur Gebrauchsüberlassung dadurch unmöglich gemacht, dass er es zur Zwangsversteigerung der vermieteten Teileigentumseinheit und vorzeitigen Kündigung durch den Erwerber hat kommen lassen, haftet er dem Mieter auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach § 325 Abs. 1 S. 1 BGB.
2. Ist der Verkauf der Praxis zu einem weitaus höheren als dem kurz vor Ablauf der Kündigungsfrist erzielten Preis maßgeblich daran gescheitert, dass infolge der drohenden Kündigung des Mietvertrages das weitere Schicksal dieser Praxis ungewiss war, hat der Vermieter dem Mieter den Differenzbetrag zu ersetzen.
Normenkette
BGB §§ 325, 565; ZVG § 67a
Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 12 O 388/95) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG A. vom 20.4.1999 – 12 O 388/95 – im Zinsausspruch auf 4 % Zinsen seit dem 25.9.1995 abgeändert.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 450.000 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten dürfen auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts gestellt werden.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Mietvertrages in Anspruch, den ihr am 30.11.1993 verstorbener Ehemann, Herr S., dessen Alleinerbin die Klägerin ist, im Jahre 1985 zum Betrieb seiner Zahnarztpraxis im Erdgeschoss des Hauses V. in A. mit den Beklagten und deren Mitgesellschaftern, den Herren E. und O., als Vermietergemeinschaft abgeschlossen hatte (Bl. 10 ff./95 ff. GA). Da die Vermietergemeinschaft ihren Verbindlichkeiten aus der Finanzierung des Objekts V. nicht nachkam, kündigte die C. mit Schreiben vom 6.10.1992 das Darlehen. Auf Antrag dieser Darlehens- und Grundschuldgläubigerin ordnete das AG Aachen mit Beschluss vom 28.12.1992 – 18 K 212/92 – die Zwangsversteigerung der an Herrn S. vermieteten Teileigentumseinheit an. Im Versteigerungstermin vom 27.8.1993 erhielt der durch den Beklagten zu 1) vertretene Bieter, Herr A., mit einem Höchstgebot von 510.000 DM den Zuschlag und kündigte mit Schreiben vom 8.9.1993 den mit Herrn S. bestehenden Mietvertrag unter Bezugnahme auf das Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG i.V.m. § 565 BGB zum 31.12.1993. Im Rahmen seiner Bemühungen um einen Verkauf der Zahnarztpraxis, die er aufgrund eines Krebsleidens bereits seit April 1992 nicht mehr kontinuierlich selbst betreute, trat Herr S. auch mit dem Ersteher wegen eines Kaufs der Teileigentumseinheit oder einer langfristigen Anmietung durch einen interessierten Praxisnachfolger, Herrn S., in Verbindung. Mit Schreiben vom 27.9.1993 erhielt er von dem Beklagten zu 1) – handelnd für die von Herrn A. mit der Abwicklung beauftragte C. GmbH, deren Gesellschafter die Beklagten waren – die Antwort, dass dies nur zu einem Kaufpreis von 750.000 DM oder zu einer Miete von 35 DM/qm in Betracht komme. In eigenen Verhandlungen mit dem Beklagten zu 1) als Vertreter von Herrn A. gelang es Herrn S. schließlich, einen im Vergleich zu dem gekündigten Mietvertrag des Herrn S. wesentlich ungünstigeren Mietvertrag auszuhandeln, der am 14.12.1993 unterzeichnet wurde (Bl. 407 ff. GA). Am 15.12.1993 unterzeichnete Herr S. einen von Rechtsanwalt S. als Vertreter von Herrn S. bereits am 22.11.1993 unterschriftsreif ausgehandelten und entworfenen Kaufvertrag über die Praxis (Bl. 538 ff. GA) zu einem wie folgt aufgeschlüsselten Kaufpreis:
für die Praxiseinrichtungsgegenstände 180.000 DM
für die Laboreinrichtung 10.000 DM
für Instrumente und Material 30.000 DM
für den ideellen Wert der Praxis 10.000 DM
230.000 DM
Mit Kaufvertrag vom 23.12.1993 erwarben sodann die Beklagten – der Beklagte zu 1) zugleich handelnd als Bevollmächtigter für Herrn A. als Verkäufer – die Teileigentumseinheit; sie wurden am 31.5.1994 als neue Eigentümer eingetragen.
Die Klägerin hat behauptet, die Beklagten hätten bewusst die Zwangsversteigerung der Teileigentumseinheit herbeigeführt, um über einen Strohmann als Ersteher von dem Sonderkündigungsrecht gem. § 57a ZVG Gebrauch zu machen und sich so von dem mit Herrn S. bestehenden Mietvertrag zu lösen. Die Ausübung des Kündigungsrechts habe dazu geführt, dass die Praxis anstelle der sonst erzielbaren 635.000 DM nur zu einem um 45.000 DM niedrigeren Kaufpreis habe veräußert werden können.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 45.000 DM nebst 7,5 % Zinsen seit dem 21.5.1995 an sie zu verurteilen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben behauptet, zur Zwangsversteigerung sei es gekommen, weil die Fa. M., die bereits im Jahre 1990 das Objekt V. – darunter auch die Teileigentumseinheit, in der die Zahnarztpraxis betrieben wurde – gekauft habe, ihren Zahlungs...