Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters nach Eigenkündigung
Leitsatz (amtlich)
Der Handelsvertreter verliert gem. § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB bei einer Eigenkündigung in der Regel seinen Ausgleichsanspruch, wenn sich der Prinzipal lediglich vertragskonform verhalten hat und ihm die wirtschaftliche Situation des Handelsvertreters auch nicht zuzurechnen ist. Es entspricht nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift, das Risiko der unternehmerischen Tätigkeit des Handelsvertreters einseitig auf den Prinzipal zu verlagern. Die Nichtfortzahlung von sog. Betriebskostenzuschüssen, die durch den Rechtsvorgänger des Prinzipals über Jahre hinweg zum Ausgleich eines defizitären Tankstellenbetriebes gewährt worden waren, rechtfertigt daher als solche noch nicht eine Eigenkündigung des Tankstellenpächters unter Beibehaltung seines Ausgleichsanspruchs.
Normenkette
HGB § 89b
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 11.05.2006; Aktenzeichen 83 O 259/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.5.2006 verkündete Grund-Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des LG Köln - 83 O 259/05 - abgeändert und, wie folgt, neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht nach Beendigung eines Tankstellenpachtvertrages gegen die Beklagte einen Ausgleichsanspruch geltend.
Der Kläger war zunächst auf Grund des "Miet- und Agenturvertrages" vom 25./30.1.1995 für die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Firma C Deutschland GmbH, als Pächter und Betreiber der Tankanlage "U" in G tätig. Der Tankstelle angeschlossen war ein vom Kläger betriebenes Restaurant.
Die Anlage ist im Jahre 2003 durch die Beklagte übernommen worden. Durch den "Tankstellenvertrag" vom 29.12.2003/22.2.2004 haben die Parteien die wechselseitigen Rechte und Pflichten mit Wirkung zum 1.1.2004 neu geregelt. Darin ist eine im Vergleich zu den bis dahin geltenden Konditionen deutlich niedrigere Provision für den Verkauf von Kraftstoffen vereinbart worden. Der Kläger, der zuvor im Hinblick auf den insgesamt defizitären Betrieb der Anlage Kostenzuschüsse von jährlich durchschnittlich 120.000 EUR in Anspruch genommen hatte, erhielt von der Beklagten jedoch auf Grund des "Nachtrags zum Tankstellenvertrag" vom 29.12.2003/3.2.2004 bis einschließlich 31.12.2004 monatliche Zahlungen i.H.v 44.500 EUR netto. Bereits Ende 2003 hatte er darüber hinaus eine Sonderleistung von 25.000 EUR erhalten.
Die Gewährung von Betriebskostenzuschüssen war in dem von der Beklagten erstellten und mit dem Kläger erörterten Geschäftsplan für das Jahr 2005 indes nicht mehr vorgesehen. Im Jahre 2004 wurde zudem der Betrieb des Restaurants eingestellt. Stattdessen betrieb der Kläger ab Herbst 2004 nach entsprechenden, von der Beklagten finanzierten Umbauarbeiten im Tankstellengebäude ein sog. "Bistro".
Nachdem sich ab Januar 2005 mit Auslaufen der Zuschusszahlungen beim Kläger Verluste eingestellt hatten, kam es zwischen den Parteien zu Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des wirtschaftlichen Betriebs der Tankstelle und weiterer finanzieller Zugeständnisse der Beklagten. Die Parteien erzielten insoweit keine Einigung. Mit Schreiben vom 8.4.2005 erklärte der Kläger unter Hinweis auf die schlechte finanzielle Lage des Betriebs die außerordentliche fristlose Kündigung des Tankstellenvertrages zum 30.4.2005, hilfsweise die ordentliche Kündigung zum 31.1.2006. Dieses Verhalten nahm die Beklagte zum Anlass, ihrerseits mit Schreiben vom 22.4.2005 die fristlose Kündigung des Vertrages zu erklären.
Der Kläger hat in erster Instanz die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihm gegenüber eine unangemessen niedrige, nicht auskömmliche Provisionsvereinbarung getroffen. Ferner habe sie die Schließung des bis dahin mit Gewinn betriebenen Restaurants mehr oder weniger einseitig verfügt. Schließlich sei auf Grund der seit Januar 2005 eingetretenen Lage der weitere Betrieb der Tankstelle in keiner Weise mehr wirtschaftlich gewesen. Er sei daher, nachdem die Beklagte zu keinen Zugeständnissen bereit gewesen sei, zur fristlosen Kündigung des Tankstellenvertrages, jedenfalls aber zur Beendigung gem. § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB, berechtigt gewesen. Wegen der Einzelheiten der Berechnung des Ausgleichsanspruchs durch den Kläger wird auf den Inhalt der Klageschrift Bezug genommen.
Die Beklagte hat die vom Kläger angeführten Gründe für die Beendigung des Tankstellenvertrages als unberechtigt angesehen und ihn auf sein unternehmerisches Risiko als Kaufmann verwiesen. Ein Fehlverhalten sei ihr nicht vorzuwerfen, da sie den Betrieb des Klägers vielmehr überobligationsmäßig gefördert habe und auch weiteren w...