Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterbrechung der Kühlkette bei einem Transport von Tiefkühlgut mit einem Lkw mit einem Doppelstocksystem
Leitsatz (amtlich)
1. Beruht ein Transportschaden auf einer Unterbrechung der Kühlkette, so ist der gem. § 425 Abs. 1 HGB Anspruchsberechtigte dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass die Ware über eine hinreichende Vorkühlung verfügte und nicht schon mit der zu hohen Temperatur übergeben wurde.
2. Nicht der Verlader (§ 427 Abs. 1 Nr. 3 HGB), sondern der Fahrer eines Kühlfahrzeugs ist dafür zuständig, dass in einem Fahrzeug mit sog. Doppelstocksystem nicht genutzte Querbalken richtig eingestellt sind und die technische Funktionsfähigkeit des Kühlsystems erhalten bleibt (hier: eingeklemmte Kühlschläuche).
3. Bei der Berechnung des dem Absender gem. § 429 Abs. 1 bis 3 HGB entstanden Schadens muss er sich den auf dem Markt erzielbaren Restwert der beschädigten Ware anrechnen lassen. Die Kosten einer Neutralisierung, d.h. einer Unkenntlichmachung des Herstellers, kann er jedenfalls dann nicht in Abzug bringen, wenn nur noch eingeschränkt verwendbare Tiefkühlware nicht an den Endverbraucher, sondern an Großunternehmen wie z.B. Großküchen veräußert werden kann, die die Ware weiterverarbeiten.
Normenkette
HGB § 425 Abs. 1-2, § 427 Abs. 1 Nr. 3, § 429 Abs. 1-3, § 430
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 11.09.2008; Aktenzeichen 83 O 116/07) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des LG Köln vom 11.9.2008 - 83 O 116/07 - teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 35.288,57 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.9.2007 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten der ersten Instanz tragen die Beklagte 77 % und die Klägerin 23 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden i.H.v. 80 % der Beklagten und i.H.v. 20 % der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Gründe
(Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gem. § 540 Abs. 1, Satz 1 ZPO).
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Ablieferung von Tiefkühlgut in nicht ausreichend gekühltem Zustand. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das LG hat die auf Zahlung eines Betrages von 46.102,96 EUR gerichtete Klage ganz überwiegend, nämlich in Höhe eines Betrages von 44.052,20 EUR nebst Zinsen für begründet erachtet. Die Beklagte hafte gem. § 425 Abs. 1 HGB wegen einer während des Haftungszeitraumes eingetretenen Unterbrechung der Kühlkette. Dass ein Schaden während des Haftungszeitraumes eingetreten sei, stehe fest, weil die Ware bei Ablieferung mit einer Temperatur von ca. -10 Grad Celsius nicht mehr verkehrsfähig gewesen sei. Dass dies auf schon unzureichender Vorkühlung vor Übernahme durch die Beklagte beruhe, sei nicht festzustellen, da die Beklagte sich insoweit nur pauschal auf Nichtwissen berufen habe. Durch das eingeholte Sachverständigengutachten sei vielmehr nachgewiesen, dass die Ladung von der Kühlluft deshalb nicht ausreichend habe umströmt werden können, weil die Kühlluftkanäle durch die hochgeschobenen Doppelstockquerbalken am Ende zusammengedrückt worden seien. Hierfür sei die Beklagte verantwortlich, weil es Aufgabe des Fahrers sei, diese Doppelstockbalken zu bedienen. Aufgrund der Unterbrechung der Kühlkette sei ein Totalschaden eingetreten, weil der Verkauf der Ware nach Schadenseintritt nicht mehr im ordentlichen Geschäftsgang möglich und die Klägerin berechtigt gewesen sei, der Beklagten die Verwertung der Ware zu überlassen, die hiervon keinen Gebrauch gemacht habe. Außer dem Warenwert i.H.v. 43.194,60 EUR seien auch die Gutachterkosten i.H.v. 857,60 EUR zu erstatten, nicht aber die weiter geltend gemachten Lagerkosten i.H.v. 2.050,76 EUR, da Anhaltspunkte für qualifiziertes Verschulden der Beklagten fehlten. Insgesamt sei deshalb die Beklagte zum Schadensersatz i.H.v. 44.052,20 EUR (43.194,60 EUR + 857,60 EUR) verpflichtet.
Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Sie meint, obwohl es sich bei den Doppelstockbalken um Einrichtungen des Fahrzeugs handele, sei hier die Klägerin für die Verladung und dadurch verursachte Stauungsmängel, die zu einer Unterbrechung der Luftzirkulation geführt hätten, verantwortlich. Zudem entbehre die Annahme des LG, die Ware sei mit ausreichender Vorkühlung übernommen worden, einer ausreichenden Grundlage; die Beweislast liege insoweit bei der Klägerin. Schließlich sei auch die Schadenshöhe unzutreffend ermittelt worden, weil ein Totalschaden nicht ersich...