Entscheidungsstichwort (Thema)
Frachtführerhaftung nach taiwanesischem Recht und Haftung des deutschen Unterfrachtführers bei inländischem Schadensfall - Computerbauteile als Wertsachen. Taiwanesisches Zivilgesetzbuch (TZG)
Leitsatz (amtlich)
1. Nach taiwanesischem Zivilrecht ist die grundsätzliche Haftung des Frachtführers (§ 634 TZG) für Beschädigung und Verlust von Geld, Schmuck und anderen Wertsachen ausgeschlossen, wenn dem Frachtführer nicht vor Übergabe des Gutes der Wert und die Art des Gutes mitgeteilt werden (§ 639 Abs. 1 TZG). Als Wertsachen - von hohem Wert und kleinem Volumen - sind nach der taiwanesischen Rechtsprechung auch Computerbauteile einzustufen.
2. Die Angabe des Warenwerts in Verzollungsunterlagen, die dem Frachtführer überlassen werden, wird von der taiwanesischen Rechtsprechung nicht als ausreichende Deklaration einer Wertsache ggü. dem Frachtführer anerkannt.
3. Der ohne Wertdeklaration und unabhängig vom Verschulden bestehende Haftungsausschluss für Wertsachen nach taiwanesischem Recht verstößt nicht gegen den deutschen ordre Public.
4. Unterliegt der Frachtvertrag taiwanesischem Recht, so kann sich der in Deutschland für eine Teilstrecke eingesetzte ausführende (Unter)Frachtführer bei einem inländischen Sendungsverlust auch gegenüber deliktischen Haftungsansprüchen entsprechend §§ 434 Abs. 1, 437 Abs. 2 HGB auf einen wirksamen Haftungsausschluss nach § 639 Abs. 1 TZG berufen.
Normenkette
EGBGB Art. 6, 28 Abs. 4, Art. 40-41; BGB § 823 Abs. 1; HGB §§ 434, 437
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 19.08.2004; Aktenzeichen 86 O 28/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des LG Köln vom 19.8.2004 - 86 O 28/01 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen, soweit die Klage gegen die Beklagte zu 2) abgewiesen wird.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen des Verlustes zweier von der Beklagten für die Fa. I. T. Technology in Taiwan an die Fa.F. Computer GmbH in C. transportierten Sendungen.
Die Klägerin ist Transportversicherungsassekuradeur der Firma F. Computer, die Ende September 2000 von der Firma I. T. Computermodule bezog. Streitgegenständlich sind insoweit zwei Sendungen, nämlich die mit der AWB-Nr. .972, die nach dem Vortrag der Klägerin 1000 SDRAM-Module 128 MB zu einem Gesamtpreis von 90.655 US-$ enthielt und die mit der AWB-Nr. .990, die ebenfalls nach dem Vortrag der Klägerin 321 SDRAM-Module 64 MB und 1000 SDRAM-Module 128 MB zu einem Gesamtpreis von 101.214,80 US-$ enthielt.
Auf den Frachtbriefen war vermerkt, dass der Inhalt der Sendungen aus "Computer Parts" bestand, auf den Frachtbriefen war unter "special Instructions" jeweils "value box" vermerkt.
Beide Pakete wurden bei der Beklagten zu 1) in Taiwan eingeliefert und sodann mit dem Flugzeug nach Deutschland transportiert, wo der weitere Transport der Beklagten zu 2) oblag. Letztmals gescannt wurden die Pakete beim Abgang vom Flughafen Köln (Outbound Scan). Danach gerieten die Pakete unter im Einzelnen ungeklärten Umständen nach Übernahme durch die Beklagte zu 2) in Verlust. Die Einfuhrverzollung nach Deutschland wurde seitens der Beklagten vorgenommen.
Die Klägerin regulierte gegenüber ihrer Versicherungsnehmerin den Schaden mit insgesamt 217.853,37 EUR und ließ sich sowohl von der Fa. I. T. als auch von ihrer Versicherungsnehmerin alle Ansprüche aus dem Schadensfall gegen die Beklagten abtreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung des LG Köln vom 19.8.2004 Bezug genommen.
Das LG hat nach Einholung einer Rechtsauskunft durch das N.-Q.-Institut der Klage vollumfänglich stattgegeben. Im Verhältnis zur Beklagten zu 1) sei gem. Art. 28 Abs. 4 EGBGB das taiwanische Zivilgesetzbuch (TZG) anwendbar. Gemäß § 634 TZG hafte der Frachtführer verschuldensunabhängig für einen Verlust des Transportguts. § 639 TZG, nach dem die Haftung des Frachtführers entfalle, wenn Geld, Wertpapiere, Schmuck oder andere derartige Wertsachen eingeliefert würden und nicht zuvor der Wert und die Art des Transportguts deklariert worden sei, sei entgegen der in der Rechtsauskunft vertretenen Auffassung unanwendbar, denn bei den in Verlust geratenen Speichermodulen handele es sich jeweils für sich genommen um normale Industrieprodukte, die nur allein aufgrund ihrer Anzahl einen gewissen Wert darstellten.
Die Beklagte zu 2) hafte neben der Beklagten zu 1) gem. § 637 TZG bzw. 437 HGB. Es sei von einem qualifizierten Verschulden der Beklagten auszugehen, denn diese hege selbst den Verdacht, dass ein Mitarbeiter die Sendungen entwendet...