Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 12 O 315/20) |
Tenor
Auf die Berufung des beklagten Landes wird die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Aachen vom 28.10.2021 (Az. 12 O 315/20) in vollem Umfang abgewiesen. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Aachen vom 01.06.2021 (Az. 12 O 315/20) wird aufgehoben.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Ohne tatsächliche Feststellungen (gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO).
II. Die zulässige Berufung ist begründet.
Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass das beklagte Land form- und fristgerecht Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt hat. Die Klage ist indessen, anders als das Landgericht meint, nicht begründet.
Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Schadensersatz gegen das beklagte Land wegen unrechtmäßiger Speicherung seines DNA-Identifizierungsmusters in der DNA-Analyse-Datei des Bundeskriminalamts (BKA) im Zeitraum von 2013 bis 2020 besteht nicht.
In Betracht kommen Ansprüche aus dem BDSG und dem DSG NRW, wobei jeweils zwischen der Fassung der Gesetze bis zum 24.05.2018 und ab dem 25.05.2018 zu differenzieren ist. Beide Gesetze sind während der streitgegenständlichen Speicherung des DNA-Identifizierungsmusters - vor allem zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung [usw.] - mit Wirkung zum 25.05.2018 erheblich geändert worden.
Indessen ergibt sich ein Anspruch des Klägers aus keiner der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen, weder aus §§ 7, 8 BDSG in der bis zum 24.05.2018 geltenden Fassung (im Folgenden a.F.) noch aus § 83 BDSG in der ab dem 25.05.2018 geltenden Fassung (im Folgenden n.F.), noch aus § 20 DSG NRW in der bis zum 24.05.2018 geltenden Fassung, noch aus § 68 DSG NRW in der ab dem 25.05.2018 geltenden Fassung.
Ein Anspruch aus Art. 82 DSGVO scheidet von vornherein aus, da die DSGVO auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit, und mithin auf die streitgegenständliche Datenspeicherung nicht anwendbar ist (Art. 2 Abs. 2 d) DSGVO).
Zu den Anspruchsgrundlagen nach BDSG und DSG NRW im Einzelnen:
1. Anspruch aus §§ 7, 8 BDSG a.F.
Ein Anspruch des Klägers gegen das beklagte Land ergibt sich weder aus § 7 BDSG a.F., noch aus § 8 BDSG a.F.
Das frühere BDSG kannte zwei unterschiedliche Anspruchsgrundlagen für Schadensersatzansprüche wegen unzulässiger oder unrichtiger Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten: § 7 BDSG a.F. sah einen Schadensersatzanspruch des Betroffenen gegen die verantwortliche Stelle vor, falls diese dem Betroffenen durch eine datenschutzrechtlich unzulässige oder unrichtige Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung seiner personenbezogenen Daten einen Schaden zugefügt hat, wobei sich die verantwortliche Stelle exkulpieren konnte. Nach § 8 BDSG a.F. hatte der Betroffene einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch gegen die verantwortliche öffentliche Stelle, wenn diese dem Betroffenen durch eine datenschutzrechtlich unzulässige oder unrichtige automatisierte Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung seiner personenbezogenen Daten einen Schaden zugefügt hat. Nach § 8 Abs. 2 BDSG a.F. war dem Betroffenen dabei bei einer "schweren" Verletzung des Persönlichkeitsrechts auch ein Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, angemessen in Geld zu ersetzen.
§ 7 BDSG a.F. sah - wie sich aus dem Fehlen einer § 8 Abs. 2 BDSG a.F. vergleichbaren Regelung ergibt - demgegenüber keine Haftung für immaterielle Schäden vor (BGH, Urteil vom 29.11.2016 - VI ZR 530/15, NJW 2017, 800, Rn. 5 f., beck-online). Allein solche kommen indes vorliegend in Betracht. Dass der Kläger aufgrund der Speicherung seines DNA-Identifizierungsmusters in der DNA-Analyse-Datei einen Vermögensnachteil erlitten hätte, ist weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
Die Regelung in § 8 Abs. 2 BDSG a.F., dass bei einer schweren Verletzung des Persönlichkeitsrechts dem Betroffenen der Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, angemessen in Geld zu ersetzen ist, führt vorliegend ebenfalls nicht zu einem Anspruch. Denn es fehlt an einer schweren Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers. Mag durch die Speicherung des DNA- Identifizierungsmusters des Klägers in der DNA-Analyse-Datei auch in dessen Persönlichkeitsrecht eingegriffen worden sein, so liegt jedenfalls keine schwere Verletzung vor. Dies ergibt sich daraus, dass die Speicherung (1.) in Kenntnis des Betroffenen erfolgt ist, (2.) der Erhebung der Daten eine Einwilligung des Betroffenen zugrunde gelegen hat, mag diese auch evtl. die Rechtswidrig...