Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitwirkungspflicht der Parteien bei der Ermittlung ausländischer Rechtsnormen; Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters (Glastür)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Ermittlung ausländischer Rechtsnormen, die die Verletzung etwaiger örtlicher Sicherheitsstandards begründen könnten, sind die Parteien zur Mitwirkung verpflichtet. Das Gericht ist nicht zur Ermittlung "ins Blaue hinein" verpflichtet, wenn keinerlei Ermittlungsansätze seitens der Partei, die sich zu ihren Gunsten auf einschlägige örtliche Vorschriften beruft, geliefert werden.

2. Die dem Reiseveranstalter obliegende Erkundigungspflicht als Folge der Verkehrssicherungspflicht, die von ihm unter Vertrag genommenen Hotels auf Einhaltung eines ausreichenden Sicherheitsstandards zu überprüfen, ist nicht verletzt, wenn der Hotelbetreiber eine Glastür innerhalb einer Wohneinheit, die als typische Terrassentür mit einem sichtbaren Rahmen versehen ist, weder mit Sicherheitsglas ausgestattet noch mit warnenden Merkmalen gekennzeichnet hat. Es besteht keine allgemeine Pflicht eines Hotelbetreibers, der als Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters tätig wird (§ 278 BGB), sämtliche Glastüren der Hotelanlage mit Sicherheitsglas oder warnenden Merkmalen zu versehen.

 

Normenkette

BGB §§ 651a, 651c, 651 f., §§ 652, § 823 ff.; ZPO § 293

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 07.04.2006; Aktenzeichen 16 O 322/05)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen des am 7.4.2006 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des LG Köln - 16 O 322/05 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger buchte für die Zeit vom 5. bis 12.9.2004 für sich, seine Lebensgefährtin, die Zeugin C., und seine Tochter bei der Beklagten eine Pauschalreise mit einem Aufenthalt in dem Hotel Q. S. in B./Bulgarien. Die Tochter des Klägers war in einem gesonderten Zimmer untergebracht, dessen Zugang nur über das eine Etage höher gelegenen Zimmer des Klägers möglich war, und zwar über eine Treppenkonstruktion mit einem balkonartigen Vorbau. Der Eingang zu diesem Zimmer erfolgte durch eine dreiflügelige Tür-, Fensterkonstruktion bestehend jeweils aus umlaufenden weißen Rahmen und im Übrigen aus nicht splitterfreiem Glas. Aufkleber oder Ähnliches waren in dem mittleren Flügel, der Tür, nicht angebracht. Eine Beleuchtungsmöglichkeit für den Verbindungsbereich zwischen den beiden Zimmern bestand nicht. Im Übrigen wird wegen der örtlichen Verhältnisse auf die zu den Akten gereichten Fotos verwiesen (GA 17).

Kurz vor der für den 12.9.2004 um 1:00 Uhr nachts vorgesehenen Abreise wollte der Kläger, der sich zuvor mit den beiden anderen Reiseteilnehmern in dem oberen Zimmer aufgehalten hatte, in dem Zimmer der Tochter eine gepackte Reisetasche abholen. Dabei geriet er in die Eingangstür und erlitt durch das zersplitternde Glas eine lebensgefährliche Verletzung der Halsschlagader, die zu seinem Glück von einem britischen Hotelgast sofort notfallmäßig versorgt werden konnte, an deren Folgen er noch heute leidet und die voraussichtlich dazu führen wird, dass der am 10.8.1959 geborene Kläger auf Dauer aus dem Erwerbsleben ausscheiden muss.

Der Kläger hat in erster Instanz Ansprüche auf Zahlung eines auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung begrenzten angemessenen Schmerzensgeldes, auf Erstattung materiellen Schadens und Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden geltend gemacht, und zwar auf der Grundlage einer seiner Meinung nach bestehenden 100 %-igen Haftung der Beklagten.

Das LG hat mit Urteil vom 7.4.2006, auf das auch wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz sowie wegen der Einzelheiten der bis dahin entstandenen Unfallfolgen verwiesen wird, die Klage abgewiesen.

Gegen das am 11.4.2006 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 11.5.2006 eingegangenen Berufung, die er mit einem am Montag, dem 12.6.2006 eingegangenen weiteren Schriftsatz begründet hat.

Der Kläger lässt sich nunmehr eine Mithaftungsquote von 30 % anrechnen und trägt zum Unfallhergang vor, dass er langsam die dunkle Treppe heruntergegangen, in die Glastür gestolpert und anschließend in den Vorraum zurückgefallen sei, wo er sich nur noch die Halsschlagader habe zuhalten können. Er behauptet, dass nach bulgarischen Sicherheitsstandards wegen des nahe gelegenen Treppenabgangs die Tür mit Sicherheitsglas hätte versehen sein müssen, zumal der Außenbereich zwischen den beiden Zimmern nicht habe beleuchtet werden können. Auch seien bereits mehrfach Gäste gegen Glastüren des Hotels gelaufen und eine Angestellte habe berichtet, dass sich ihr Sohn an einer Tür eine Schnittverletzung zugezogen habe. Im Übrigen tritt er dem...

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