Leitsatz (amtlich)
1. Ein umfangreicher wissenschaftlicher Bewertungs- und Informationsbericht betreffend die Kanzerogenität des Pflanzenschutzmittels Glyphosat und dessen Zusammenfassung sind als Sprachwerke im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Urhebergesetz anzusehen.
2. Die Veröffentlichung des Berichts und seiner Zusammenfassung auf der Internetseite einer Rundfunkanstalt im Zusammenhang mit einem Beitrag in einem politischen Fernsehmagazin unter dem Titel "Glyphosat: Bundesinstitut hat falsch informiert" ist ausnahmsweise als Berichterstattung über Tagesereignisse im Sinne des § 50 Urhebergesetz gerechtfertigt.
Normenkette
UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 50 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 14 O 470/18) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 31.7.2020 - 14 O 470/18 - hinsichtlich der Ziffern 1 und 2 des Tenors aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt der Kläger.
Das Urteil und das Urteil des Landgerichts Köln, soweit die Berufung des Klägers zurückgewiesen worden ist, sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Bei der vorliegenden Klage handelt es sich um das Hauptsacheverfahren zum einstweiligen Verfügungsverfahren 14 O 302/15 des Landgerichts Köln und 6 U 8/17 des OLG Köln.
Der Kläger ist eine bundesunmittelbare rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts und hat unter anderem die Aufgabe, die Bundesregierung auf dem Gebiet der Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln im Hinblick auf die Gesundheit von Mensch und Tier zu beraten.
Der Beklagte ist eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt. Er produziert unter anderem das politische Magazin FAKT für die ARD. Zudem unterhält der Beklagte eine Website (www.mdr.de), auf der die Redaktion zusätzliche Informationen zu Sendungen zugänglich macht.
Gegenstand des Rechtsstreits ist eine Ergänzung zu einem umfangreichen wissenschaftlichen Bewertungsbericht im Rahmen einer Neubewertung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat ("Addendum") sowie die zusammenfassende deutsch sprachige Erläuterung dieses Berichts ("Zusammenfassung"). Das Addendum ist vor dem Hintergrund einer im Juli 2015 erschienen Monographie der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) erstellt worden. Die beiden Dokumente, Addendum und Zusammenfassung, hat der Beklagte auf der Website des Magazins FAKT ohne Zustimmung des Klägers öffentlich zugänglich gemacht. Die Veröffentlichung erfolgte im Zusammenhang mit einem 5,30 Minuten langen Beitrag mit dem Titel "Glyphosat: Bundesinstitut hat falsch informiert" vom 20.10.2015 im Rahmen der Sendung FAKT. Das Addendum I wurde anders als die später von der EFSA veröffentlichte Version mit Schwärzungen, ohne Literaturverzeichnis und mit zumindest einer inhaltlichen Abweichung öffentlich zugänglich gemacht.
Das Addendum ist als Teil des Gesamtberichts zum Thema Glyphosat am 19.11.2015 von der EFSA veröffentlicht worden. Unter dem 23.4.2019 erließ der Kläger eine Allgemeinverfügung, veröffentlicht im Bundesanzeiger am 3.5.2019, aufgrund derer Personen, die einen Antrag gem. § 7 Abs. 1 S. 1 IFG auf Informationszugang zu der hier streitgegenständlichen Zusammenfassung stellen, über eine dafür eingerichtete Internetseite für die Dauer von jeweils 7 Tagen ein Lesezugang gewährt wird. Die Übermittlung der Zugangsdaten erfolgt seitens des Klägers in einem automatisierten E-Mail-Verfahren. Bis zum 5.6.2019 waren bereits mehr als 43.000 Anträge gestellt worden.
Der Kläger hat behauptet, das Addendum sei ausschließlich von hauptamtlich tätigen Beamten und Tarifbeschäftigten des Klägers als Mitautoren erstellt worden. Auch die Autoren der Zusammenfassung seien Beamte bzw. Tarifbeschäftigte des Klägers, sodass er als Arbeitgeber bzw. Dienstherr zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs berechtigt sei. Die Zusammenfassung habe internen und vertraulichen Charakter und sei nicht zur Veröffentlichung bestimmt gewesen. Der Beklagte habe in seine Verwertungsrechte aus §§ 19a und 16 UrhG eingegriffen. Es handele sich um schutzrechtsfähige Sprachwerke und nicht um amtliche Werke i.S.d. § 5 UrhG. Auf die Schrankenregelungen der §§ 50, 51 UrhG könne sich der Beklagte nicht stützen.
Der Kläger hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft jeweils an dem gesetzlichen Vertreter des Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
a. den "Renewal Assessment Report, Glyphosate Addendum I to RAR, Assessment of IARC Monographies Volume 112 (2015): Glyphosate" vom 31. Aug...