Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahnarztvertrag und Abtretung an Verrechnungsstelle

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die formularmäßig vorformulierte Einverständniserklärung, die sich auf die Forderungsabtretung an eine privatärztliche Verrechnungsstelle bezieht, ist weder wegen Intransparenz noch wegen unangemessener Benachteiligung des Patienten unwirksam.

2. Ein Behandlungsvertrag über die abgerechneten zahnärztlichen Leistungen ist konkludent zustande gekommen, wenn nach Aufklärung über die beabsichtigten Arbeiten der Patient die Behandlung beginnen lässt.

3. Zur Frage, wann die Einholung eines graphologischen Gutachtens bei bestrittener Unterschrift unter die Aufklärungsformulare entbehrlich ist.

 

Normenkette

BGB §§ 307, 398, 611; ZPO § 442

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Urteil vom 24.11.2010; Aktenzeichen 9 O 145/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 24.11.2010 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Bonn - 9 O 145/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Klägerin und der Drittwiderbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin, die mit dem Drittwiderbeklagten einen Factoring-Vertrag abgeschlossen hat, nimmt die am 15.12.1939 geborene Beklagte aus abgetretenem Recht auf Zahlung zahnärztlichen Honorars in Anspruch. Die Beklagte begehrt widerklagend die Feststellung der Ersatzpflicht des Drittwiderbeklagten.

Der Drittwiderbeklagte erstellte am 11.9.2008 einen Behandlungsplan, der in Bezug auf den Oberkiefer die Entfernung des Zahns 26, eine Krone auf Zahn 12, eine Brücke auf den Zähnen 13 bis 17, eine Krone auf Zahn 21 und eine Brücke auf den Zähnen 23 bis 27 vorsah. Ferner waren bei geschätzten Behandlungskosten von insgesamt 9.339,03 EUR vier Kronen im Unterkiefer vorgesehen. Die Beklagte unterzeichnete unter dem gleichen Datum eine Einverständniserklärung, die sich auf die Forderungsabtretung an die Klägerin bezog. In der Patientenkartei ist der folgende Behandlungsverlauf dokumentiert: Am 15.9.2008 wurden parodontalchirurgische Maßnahmen im Unterkiefer ausgeführt. Am 16.9.2008 folgten parodontalchirurgische Maßnahmen im Oberkiefer, das Entfernen der Zähne 16 und 26, eine Wurzelbehandlung der Zähne 13, 14 und 22 sowie die Präparation der im Behandlungsplan im Oberkiefer für eine Überkronung vorgesehenen Zähne und zusätzlich der Zähne 11 und 22. Nach einer Einprobe am 23.9.2008 gliederte der Drittwiderbeklagte am 24.9.2008 den endgültigen Zahnersatz provisorisch in den Oberkiefer ein. Der neue Zahnersatz führte zu einer Bisserhöhung. Unter dem 26.9.2008 stellte die Klägerin der Beklagten 3.204,27 EUR für die konservierenden, parodontologischen und funktionsanalytischen Leistungen sowie weitere 8.283,25 EUR für die prothetischen Leistungen in Rechnung.

Die Klägerin und der Drittwiderbeklagte haben insbesondere behauptet, dass die Beklagte über den Inhalt der Behandlung, die der Drittwiderbeklagte fehlerfrei durchgeführt habe, umfassend aufgeklärt worden sei.

Die Klägerin hat nach Klagerücknahme i.H.v. 37,05 EUR beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 11.450,47 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.10.2008 sowie 30 EUR Mahnauslagen zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Drittwiderklagend hat sie beantragt,

1. festzustellen, dass dem Drittwiderbeklagten keine weiteren Vergütungsforderungen aus der zahnärztlichen Behandlung für den Zeitraum September 2008 gegen sie zustehen,

2. festzustellen, dass der Drittwiderbeklagte verpflichtet ist, ihr sämtlichen weiteren auf der fehlerhaften ärztlichen Behandlung im Zeitraum September 2008 beruhenden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergehen oder übergegangen sind.

Der Drittwiderbeklagte hat beantragt, die Drittwiderklage abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, dass die formularmäßig erteilte Einwilligung in die Forderungsabtretung wegen Unangemessenheit und Intransparenz unwirksam sei. Soweit es nicht um die am 11.9.2008 besprochene Behandlung des entzündeten und zu ziehenden Zahns oben links sowie seiner Nachbarzähne gegangen sei, sei sie über die durchgeführte Behandlung nicht aufgeklärt worden und habe nicht in diese eingewilligt. Die vom Drittwiderbeklagten vorgelegten, auf den 16.9.2008 datierten Einverständniserklärungen "OP" und "ZE" seien bei ihrer Unterschrift nicht ausgefüllt gewesen bzw. von ihr nicht unterzeichnet worden. Der Drittwiderbeklagte habe ihr bei Übergabe des Behandlungsplans erklärt, dass sie über die Erstattungsleistungen von Beihilfe und Krankenversicherung hinaus nichts zuzahlen müsse. Aus dem von der Beihilfe veranlassten Gutachten der Zahnärztin Dr. E. ergebe sich, d...

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