Entscheidungsstichwort (Thema)
Schokoladenriegel-Variationen
Leitsatz (amtlich)
Die Herstellerkennzeichnung auf einer Schokoladenverpackung, die einzeln verpackte Riegel in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen in Sichtfensteroptik darbietet, steht der Annahme einer mittelbaren Herkunftstäuschung dann nicht entgegen, wenn aufgrund eines demoskopischen Gutachtens tatsächlich feststeht, dass über 30 % der Befragten das Produkt gleichwohl mit dem Hersteller des Originalprodukts in Verbindung bringen, weil sie die angegriffene Ausstattung unmittelbar als das Original ansehen, oder weil sie davon ausgehen, dass beide Produkte vom selben Hersteller stammen, oder weil sie davon ausgehen, dass lizenzvertragliche Beziehungen bestehen.
Normenkette
UWG § 4 Nr. 9a
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 24.04.2014; Aktenzeichen 31 O 259/11) |
Tenor
Die Berufung der Beklagen gegen das am 24.4.2014 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des LG Köln - 31 O 259/11 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagen auferlegt.
Dieses Urteil und das des LG sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit leistet. Die Höhe der zu leistenden Sicherheit beträgt bezüglich des Unterlassungsanspruchs 500.000,00 EUR, bezüglich des Auskunftsanspruchs 100.000,00 EUR und hinsichtlich der Kosten für die Beklagte 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages und für die Klägerin 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien sind Konkurrenten auf dem Süßwarenmarkt. Die Klägerin vertreibt seit 1965 u.a. den Schokoladenriegel "merci" in einer 200g-Verpackung, deren Gestaltung sie ab dem Jahr 2000 nur leicht veränderte, und die sich seit dem Jahr 2011 unverändert wie folgt präsentiert:
((Abbildung))
Das merci-Produkt der Klägerin ist durch diverse Marken geschützt.
Die Beklagte, ein Unternehmen der T.-Gruppe, vertreibt u.a. ebenfalls einzeln verpackte Schokoladenriegel unter der Bezeichnung "Reichardt - Edelste Variationen" in folgender Ausstattung:
((Abbildung))
Die Klägerin sieht darin eine unlautere Nachahmung ihrer Produktausstattung sowie eine Verletzung von Markenrechten. Sie hat im März 2011 vor dem LG Köln im Verfahren 31 O 123/11 erfolgreich eine einstweilige Unterlassungsverfügung erwirkt. Diese ist im anschließenden Berufungsverfahren 6 U 161/11 vom Senat mit Urteil aus Januar 2012 aufgehoben worden.
Im vorliegenden - parallel zum Eilverfahren eingeleiteten - Hauptsacheverfahren hat die Klägerin beantragt, der Beklagten bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr Schokoladenriegel in der o.a. Verpackungsgestaltung anzubieten und/oder anbieten zu lassen, in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, zu vertreiben und/oder vertreiben zu lassen, zu bewerben und/oder bewerben zu lassen; darüber hinaus sie beantragt, die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz festzustellen sowie die Beklagte in konkret beschriebenem Umfang zur Erteilung von Auskünften und Vorlage von Belegen zu verurteilen. Die Klägerin hat nach wie vor die Ansicht vertreten, ihr stehe gegen die Beklag-te ein Unterlassungsanspruch zu. Sie hat diesen Anspruch in erster Linie auf §§ 8, 3, 4 Nr. 9 UWG gestützt, hilfsweise auf § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 MarkenG.
Das LG hat nach Vorlage eines von der Klägerin in Auftrag gegebenen Gutachtens der Ipsos GmbH sowie zweier von der Beklagten in Auftrag gegebener Studien der V. GmbH Beweis erhoben zu der Frage, ob die Gefahr einer Herkunftstäuschung besteht, durch Einholung eines Gutachtens der Sachverständigen Dr. Pflüger. Auf die Gutachten und Studien (Bl. 210 ff. GA; Bl. 318 ff. und 332 ff. GA; Anlagenhefter) wird inhaltlich Bezug genommen.
Die Klägerin hat vorgetragen, es liege eine vermeidbare Herkunftstäuschung vor. Da es sich bei dem von ihr vertriebenen Schokoladenriegel um ein überaus bekanntes Produkt handele und die Verpackungsgestaltung des Produkts der Beklagten einen in hohem Maße ähnlichen Gesamteindruck aufweise, werde der Eindruck erweckt, bei der Marke "Reichardt" handele es sich um eine Zweitmarke ihres Unternehmens. Dass tatsächlich ein großer Anteil des angesprochenen Verkehrskreises einer Herkunftstäuschung unterliege, werde sowohl durch das Ipsos-Gutachten als auch durch die Ergebnisse des vom Gericht eingeholten Gutachtens der Sachverständigen Dr. Pflüger belegt.
Die Beklagte hat dagegen eingewandt, dass die Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht gegeben sei, was die Studien der V. belegten. Alle Gestaltungselemente des Produkts der Klägerin seien Gemeinplätze, die auch von anderen Wettbewerbern genutzt würden. Ihre Hinweiskraft beziehe die Produktverpackung lediglich aus dem dominanten merci-Logo. Der Verkehr erkenne die Marke "Reichardt", die seit langem auf dem Markt eingeführt sei, als Herstellerangabe, so dass jedwede Gefahr einer ...