Entscheidungsstichwort (Thema)

Mietwagenersatz für 133 Tage, Schadensminderungspflicht

 

Leitsatz (amtlich)

Grundsätzlich ist es Sache des Schädigers, die vom Geschädigten zu veranlassende Schadensbeseitigung vorzufinanzieren. Nur ausnahmsweise kann eine Pflicht des Geschädigten zur Vorfinanzierung bestehen, wenn er über ausreichende Mittel verfügt oder sich den Kredit hierfür unschwer beschaffen kann. Die Annahme einer solchen Pflicht muss im Einzelfall von der Sache her geboten erscheinen und dem Geschädigten auch zuzumuten sein. Allein die bloße Möglichkeit der Vorfinanzierung der Wiederbeschaffung eines gleichwertigen Ersatzwagens vermag die Verletzung der dem Geschädigten obliegenden Pflicht zur Schadensminderung nicht zu begründen; vielmehr ist es erforderlich, dass dem Geschädigten schadensmindernde Maßnahmen unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben zumutbar sind (Anschluss an OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.10.2007 - 1 U 52/07 - zit. n. juris Rz. 11). Die Verletzung der Schadensminderungspflicht ist in der Regel zu verneinen, wenn der Geschädigte den Schädiger darauf hinweist, dass er über keine Barmittel und keine Kreditkarte verfügt und das gemietete Fahrzeug bis zur Schadensregulierung nutzen werde.

 

Normenkette

BGB § § 249 ff., § 254 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 15.07.2011; Aktenzeichen 8 O 287/09)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers und auf die Anschlussberufung des Beklagten wird das am 15.7.2011 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des LG Aachen - 8 O 287/09 - unter gleichzeitiger Zurückweisung der Anschlussberufung des Beklagten im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt,

1. den Kläger von der Forderung der T. Autovermietung GmbH in B. wegen der Rechnung zu Nr. XXXXX vom 23.3.2009 in der Höhe von 7.455,17 EUR nebst Zinsen in der Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.7.2009 freizustellen

2. und an den Kläger auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten 434,70 EUR nebst Zinsen in der Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.7.2009 zu zahlen.

Die im ersten Rechtszug entstandenen Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 28 % und dem Beklagten zu 72 % auferlegt, während der Beklagte die Kosten des Berufungsrechtsstreits allein trägt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt den Beklagten in dessen Funktion als Regulierer von Kraftfahrzeug-Haftpflichtschäden für Haftpflichtversicherer mit ausländischem Sitz wegen eines Verkehrsunfalls vom 8.11.2008 gegen 13:20 Uhr mit Beteiligung eines Herrn H. N., dessen Kraftfahrzeug bei einem belgischen Versicherer haftpflichtversichert war und dessen alleinige Verantwortlichkeit zwischen den Parteien unstreitig ist, auf Freistellung von der Forderung der Firma T. Autovermietung GmbH in B. (im Folgenden: Fa. T.) gemäß deren Rechnung vom 23.3.2009 zzgl. vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch.

Erstinstanzlich hat der Kläger sein Freistellungsbegehren nicht nach Maßgabe des am 8.11.2008 geschlossenen Mietvertrages (Anlage K 1 = Bl. 17 GA) und der vorbezeichneten Rechnung (Anlage K 2 = Bl. 18 GA) berechnet, sondern auf der Grundlage des Schwacke-Automietpreisspiegels 2007 (im Folg.: Schwacke-AMP) für die Dauer von 133 Tagen (6.938,99 EUR) zzgl. eines pauschalen Aufschlages von 20 % wegen einem Vermieter von Unfallersatzfahrzeugen angeblich entstehenden zusätzlichen Kosten (1.387,79 EUR) sowie zzgl. unfallbedingt konkret veranlasster Zusatzleistungen für den Abschluss einer Vollkaskoversicherung (2.052 EUR), für die Ausstattung mit Winterreifen (1.995 EUR) und für die Zustellung des Fahrzeugs (69 EUR) sowie dessen Abholung (25 EUR) mit der den Gesamt-Rechnungsbetrag von 12.997,14 EUR nur geringfügig unterschreitenden Summe von 12.467,78 EUR, und von dem Beklagten nach Abzug eines gezahlten Betrages von 1.629,82 EUR die Zahlung eines Hauptforderungsbetrages von 10.837,96 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.4.2009 verlangt. Mit der geltend gemachten Nebenforderung hat er die Zahlung von 496,58 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7.5.2009 begehrt.

Der Pkw des Klägers erlitt nach Maßgabe des schriftlichen Gutachtens des von ihm eingeschalteten Kfz-Sachverständigen K. vom 11.11.2008 einen wirtschaftlichen Totalschaden und wies nach Abzug eines Restwertes von 20 EUR einen Wiederbeschaffungswert von 1.880 EUR auf. Die Wiederbeschaffungsdauer schätzte der Sachverständige auf 10 - 14 Kalendertage. Den am Schadenstag von der Firma T. angemieteten Ersatzwagen gab der Kläger erst nach 133 Tagen zurück, nämlich unmittelbar im Anschluss an die Regulierung des Kfz-Schadens durch den Beklagten und die von ihm daraufhin bewerkstelligte Ersatzbeschaffung.

Die Parteien haben, soweit für die Beurt...

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