Entscheidungsstichwort (Thema)
Fruchtgummi-Glückswochen
Leitsatz (amtlich)
1. Für eine stets unlautere unmittelbare Aufforderung zum Kauf von Waren gegenüber Kindern genügt es nicht, dass Kinder in der Werbung gezeigt werden, die sich die Ware kaufen oder ihre Eltern zum Kauf auffordern.
2. Bei der Beurteilung der Auswirkungen einer Werbung ist auf das Verständnis des durchschnittlichen Mitglieds einer schutzbedürftigen Verbrauchergruppe (hier: minderjährige Kinder) bereits dann abzustellen, wenn die Werbung aufgrund objektiver Kriterien erkennbar dazu bestimmt ist, auch Mitglieder dieser Gruppe zu erreichen.
3. Werbung gegenüber Kindern und Jugendlichen mit einem an den Warenumsatz gekoppelten Gewinnspiel ist nicht generell unlauter, sondern erfordert eine Betrachtung des Einzelfalls; unlauter kann sie sein, wenn Minderjährigen in einem Werbespot eine unrealistische Korrelation von Mehreinkauf und Gewinnchance vorgespiegelt und sie dadurch zu einem Kauf über Bedarf angeregt werden.
Normenkette
UWG § 3 Abs. 2, § 4 Nr. 6
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 08.02.2012; Aktenzeichen 84 O 215/11) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 8.2.2012 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des LG Köln - 84 O 215/11 - wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Urteilsformel zu Nr. I in ihrem ersten Teil (vor dem sechsseitigen Storyboard) wie folgt neu gefasst wird:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,
unter der Bezeichnung "HARIBO GLÜCKS-WOCHEN" ein Gewinnspiel zu veranstalten, bei dem zur Teilnahme jeweils fünf Produkte der Beklagten erworben werden müssen, was durch entsprechende Kaufbelege nachgewiesen werden muss, wenn dies in einem 30-minütigen TV-Spot, wie auf beigefügter DVD-R gespeichert und nachstehend durch Storyboard wiedergegeben, geschieht:...
Die weiteren Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Dieses Urteil und das Urteil des LG sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Unterlassungsanspruches durch Sicherheitsleistung i.H.v. 100.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in der gleichen Höhe leistet. Die Vollstreckung des Kostenerstattungsanspruchs kann die Beklagte durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien vertreiben Lakritz und Fruchtgummi und zählen auf diesem Warensektor zu den führenden deutschen Anbietern. Im Februar 2011 startete die Beklagte eine deutschlandweite Kampagne, bei welcher im Rahmen eines Fernsehwerbespots die Teilnahme an einem Gewinnspiel an den Kauf ihrer Produkte gekoppelt wurde. In dem Werbespot wirbt der bekannte Fernsehmoderator Thomas Gottschalk, der eine Familie aus Vater, Mutter und zwei Kindern sowie eine Mutter mit zwei Kindern beim Einkaufen im Supermarkt trifft, für Produkte der Beklagten: Tropifrutti, Colorado, Pico Balla, Phantasia und Goldbären. Beim Kauf von fünf Packungen zum Preis von ca. je 1 EUR kann man die Originaleinkaufsbelege einsenden und erlangt so die Chance, einen von 100 "Goldbärenbarren" im Wert von 5.000 EUR zu gewinnen.
Die Parteien streiten um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit dieses Werbespots. Das LG hat in dem Werbespot eine unlautere Kopplung nach §§ 3, 4 Nr. 6 UWG gesehen. Zwar sei die Regelung in der Weise richtlinienkonform auszulegen, dass die Kopplung eines Gewinnspiels an ein Umsatzgeschäft nur dann unlauter sei, wenn sie im Einzelfall dem Erfordernis der beruflichen Sorgfalt widerspreche. Dies sei hier aber anzunehmen, weil sich die Werbung vor allem und in erster Linie an Kinder und Jugendliche richte. Bei diesem Adressatenkreis sei die Kopplung eines Gewinnspiels an den Warenabsatz mit der beruflichen Sorgfalt generell nicht zu vereinbaren.
Die Beklagte hat Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil des LG aufzuheben und die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, eine generelle Unlauterkeit von Gewinnspielkopplungen könne auch dann nicht angenommen werden, wenn sich die Werbung an Kinder und Jugendliche richte. In der heutigen Zeit seien Kinder mit derartigen Werbemaßnahmen vertraut, so dass eine unsachliche Beeinflussung nicht zu befürchten sei. Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das LG den Werbespot der Beklagten als unlauter angesehen, weil er gegen §§ 3, 4 Nr. 6 UWG verstößt.
1. Der U...