Leitsatz (amtlich)
1. Teilt der Auftraggeber dem Auftragnehmer auf einer Baubesprechung mit, dass sich der Beginn seiner Arbeiten infolge einer Behinderung durch einen Vorunternehmer verschieben wird, so kann allein darin weder eine Anordnung im Sinne von § 2 Nr. 5 VOB/B (2002) noch ein Angebot zur Änderung der vertraglichen Vereinbarungen zur Bauzeit gesehen werden.
2. Behält sich der Auftragnehmer im Rahmen der Vereinbarung eines Nachtrags einen bauzeitbezogenen Mehrkostenanspruch nicht ausdrücklich vor, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass das Nachtragsangebot sämtliche Mehrleistungen umfasst und damit zusätzliche, bauzeitbezogene Kosten durch einen späteren Nachtrag nicht mehr nachgeschoben werden können.
3. Im Rahmen der Darlegung eines Anspruchs auf zeitabhängige Mehrkosten ist eine baustellenbezogene Darstellung der Ist- und Sollabläufe notwendig, die die Bauzeitverlängerung nachvollziehbar macht. Haben die Parteien nichts anderes vereinbart, so ist ein Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Nr. 5 VOB/B (2002) nach den tatsächlich erforderlichen Mehrkosten zuzüglich angemessener Zuschläge für Baustellengemeinkosten, allgemeine Gemeinkosten und Gewinn darzulegen und unter Beweis zu stellen. Kalkulatorische Bewertungsverfahren - beispielsweise anhand geschätzter Produktivitätsverluste auf der Grundlage von Erfahrungswerten - können diese Aufgabe nicht erfüllen.
Normenkette
BGB § 642; VOB/B (2002) § 2 Nr. 5, § 6 Nr. 6
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 5 O 9/10) |
Tenor
Auf die Berufung beider Parteien wird das Urteil des Landgerichts Köln zum Az. 5 O 9/10 vom 08.03.2022 teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 180.138,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.11.2007 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehenden Berufungen der Parteien werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens zum Az. des OLG Köln 3 U 147/12 tragen der Kläger 55 %, die Beklagte 45 %. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen der Kläger 75 %, die Beklagte 25 %. Von den Kosten der beiden Streithelfer trägt die Beklagte jeweils 25 %, im Übrigen tragen diese ihre Kosten selbst.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die jeweilige Gegenseite Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 741.845,46 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über einen Restwerklohnanspruch nach Kündigung eines Bauvertrages.
Nachdem die G. K. GmbH & Co. KG (im Folgenden: die Insolvenzschuldnerin) am 30.09.2005 von der Beklagten den Zuschlag für die Errichtung eines Erweiterungsanbaus am Gymnasium J. unter Vereinbarung der Geltung der VOB/B erhalten hatte, wobei sich ihr Angebot vor allem auf die Erd-, Beton- und Verblendarbeiten bezogen hatte, führte sie entsprechende Arbeiten ab März 2006 durch. Es kam zu Verzögerungen, für die sich die Parteien wechselseitig verantwortlich machen. Nach Kündigung durch die Insolvenzschuldnerin wegen Zahlungsverzuges am 14.06.2007 kündigte auch die Beklagte am 27.08.2007, weil die Insolvenzschuldnerin die Arbeiten eingestellt hatte. Mit Schlussrechnung vom 04.09.2007 stellte diese der Beklagten insgesamt 1.754.688,59 EUR (netto) bzw. 2.088.079,42 EUR (brutto) in Rechnung. Die Beklagte hatte hierauf 1.414.562,55 EUR an Abschlagszahlungen geleistet, woraus die Insolvenzschuldnerin eine offene Restforderung von 673.516,84 EUR errechnete. Mit der Bauaufsicht und der Prüfung der Rechnungen hatte die Beklagte die Architekten der U. GmbH (im Folgenden: U.) beauftragt. Diese nahm im Rahmen der Schlussrechnungsprüfung verschiedene Kürzungen vor. Weitere Zahlungen erbrachte die Beklagte auf die Schlussrechnung in der Folgezeit nicht und berief sich auf aufrechenbare Gegenforderungen.
Im Jahr 2010 hat die Insolvenzschuldnerin Klage gegen die Beklagte erhoben gerichtet auf Zahlung von 562.775,06 EUR zzgl. Zinsen sowie weitere 104.070,40 EUR zzgl. Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe einer Gewährleistungsbürgschaft. Ferner hat der Kläger mit der Klage die Herausgabe einer Bürgschaft der Z. W. Kreditversicherung über 75.000,00 EUR geltend gemacht. Nach erstinstanzlicher Abweisung der Klage, Aufhebung des landgerichtlichen Urteils durch das OLG Köln (Az. 3 U 147/12) und Zurückverweisung an das Landgericht Köln ist der Rechtsstreit im Jahr 2013 durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin unterbrochen worden.
Im Jahr 2018 hat der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin den Rechtsstreit wieder aufgenommen und einen Gro...