Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 20 O 246/19) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 10.07.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 20 O 246/19 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über den Bestand des Nachlasses des am xx.xx.2018 in A verstorbenen B, geboren am xx.xx.1936, zum Zeitpunkt dessen Todes zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines von einem Notar aufgenommenen Verzeichnisses, das im Einzelnen umfasst:
a) alle im Erbfall vorhandenen Sachen und Forderungen des Erblassers (Aktiva des Nachlasses) sowie alle Forderungen gegen diesen (Passiva des Nachlasses);
b) alle ergänzungspflichtigen Schenkungen, die der Erblasser in den letzten Jahren vor dem Erbfall getätigt hat;
Der Beklagte zu 1. wird verurteilt, den Wert der Immobilie C-Straße 110, D, den Wert des Oldtimer-Motorrads Ducati 900 Mike Hailwood, den Wert einer Sammlung alter Fotoapparate (u.a. der Firma Hasselblad) sowie den Wert des in der vorgenannten Immobilie installierten Tonstudios durch Sachverständigengutachten für den Stichtag 26.04.2018 bestimmen zu lassen und dem Kläger hierüber Auskunft zu erteilen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen
Die Gerichtskosten in beiden Instanzen werden dem Kläger und der Beklagten zu 1. je zur Hälfte auferlegt. Von den außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen hat der Kläger die der Beklagten zu 2. voll und die Hälfte der eigenen zu tragen, die Beklagte zu 1. die eigenen voll und die Hälfte der dem Kläger erwachsenen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 1. darf die Vollstreckung des Klägers in der Hauptsache durch Sicherheitsleistung in Höhe von 22.000,00 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen dürfen die Parteien die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Mit der Klage nimmt der Kläger die Beklagten auf Auskunft über den Bestand und den Wert des Nachlasses nach dem Tod des am xx.xx.2018 verstorbenen britischen Staatsangehörigen B (im Folgenden: Erblasser) in Anspruch.
Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zur Entscheidung in erster Instanz gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klage sei zulässig, weil sowohl die internationale als auch die örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit des Landgerichts Köln gegeben sei. Die Klage sei jedoch unbegründet. Zwar sei der Kläger aktivlegitimiert, allerdings stehe ihm der geltend gemachte Auskunftsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Er ergebe sich insbesondere nicht aus § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB, denn der Kläger sei nicht pflichtteilsberechtigt. Der Erblasser habe für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das englische Recht gewählt, das ein Pflichtteilsrecht nicht kenne. Diese Rechtswahl sei wirksam, ein Verstoß gegen den deutschen ordre public liege nicht vor. Ein fehlendes Pflichtteilsrecht verstoße jedenfalls dann nicht gegen den deutschen ordre public, wenn volljährige, wirtschaftlich selbständige Abkömmlinge vom Erbfall betroffen sind. Mangels gegenteiligen Vortrags sei davon auszugehen, dass der volljährige Kläger wirtschaftlich selbständig sei, zumal er keine Prozesskostenhilfe beantragt habe und gleichwohl in der Lage gewesen sei, den Gerichtskostenvorschuss in Höhe von mehr als 9.500 EUR einzuzahlen. Dass der Erblasser die britische Staatsangehörigkeit nur zu dem Zweck erworben habe, Pflichtteilsansprüche in Deutschland zu vermeiden, sei nicht ersichtlich. Der Erblasser sei in England geboren, habe dort 28 Jahre gelebt und die britische Staatsangehörigkeit nie aufgegeben. Der Wirksamkeit der Rechtswahl stehe schließlich nicht eine Geschäftsunfähigkeit oder fehlende Testierfähigkeit des Erblassers entgegen.
Gegen dieses seinem Prozessbevollmächtigten am 15.07.2020 zugestellte Urteil richtet sich die mit einem am 10.08.2018 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz eingelegte und - nach entsprechender Verlängerung - mit einem am 14.10.2020 eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung des Klägers, mit der dieser seine erstinstanzlichen Klageanträge vollumfänglich weiterverfolgt. Zur Begründung macht er geltend: Die wohl herrschende Meinung im deutschen Schrifttum bejahe einen Verstoß gegen den deutschen ordre public aus Art. 35 der Verordnung (EU) NR. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden ...