Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche wegen Herkunftstäuschung
Leitsatz (amtlich)
1. Stimmt ein nachgeahmtes Regalsystem in der Technik, der äußeren Formgestaltung und sogar in der Leistungsübernahme mit dem Originalregalsystem überein, so liegt es nahe, dass sich dem interessierten Betrachter zwangsläufig der Eindruck aufdrängt, die in Rede stehenden Produkte stammten von demselben Hersteller.
2. Eine Herkunftstäuschung hängt dabei nicht davon ab, ob den Kaufinteressenten der Name des Originalherstellers bekannt ist.
3. Eine einfache Kennzeichnung mit dem Firmenschlagwort vermag eine Herkunftstäuschung nicht zu vermeiden, wenn der Hersteller des Originalprodukts in der Vergangenheit die Regalsysteme überhaupt nicht zu kennzeichnen pflegte bzw. keine auffällige Herstellerkennzeichnung vornimmt.
4. Das bloße Interesse potentieller Abnehmer, in ihren Läden vorhandene Regalsysteme in gewissen zeitlichen Abständen um- oder auszubauen, begründet noch keinen in der Art der Ware angelegten Austausch- und Ergänzungsbedarf, der für die Anerkennung der Kompatibilitätsinteressen der Abnehmer erforderlich ist.
5. Aber sogar wenn ein entsprechendes Kompatibilitätsinteresse der als Abnehmer in Betracht kommenden Ladeninhaber anzuerkennen sein sollte, folgt daraus noch nicht die wettbewerbsrechtliche Unbedenklichkeit einer identischen Nachahmung.
Normenkette
UWG § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 9 Buchst. a, b, § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, § 9; BGB § 242
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Regalsysteme für den Ladenbau gemäß den folgenden Abbildungen anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen:
"Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik."
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2. der Klägerin über den Umfang der zu Nr. I.1 bezeichneten Handlungen seit dem 1.2.2009 vollständig Auskunft zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines einheitlichen und geordneten Verzeichnisses unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, welcher nicht durch Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den zu Nr. I.1 genannten Regalsystemen unmittelbar zugeordnet werden, wobei die Beklagte hinsichtlich ihrer Angaben zu Nr. 2 lit. a und b sämtliche Belege (Auftragsbestätigungen, Rechnungen sowie Liefer- und Zollpapiere) vorzulegen hat.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Nr. I.1 bezeichneten Handlungen seit dem 1.2.2009 entstanden ist und noch entstehen wird.
III. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, die hinsichtlich der Unterlassung 2 Mio. EUR, hinsichtlich der Auskunft 1 Mio. EUR und im Übrigen 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages beträgt, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung des Unterlassungs- und Auskunftsanspruchs Sicherheit in gleicher Höhe und im Übrigen Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin vertreibt in Nachfolge der U GmbH ein seit den 1970er Jahren in Deutschland eingeführtes Regalsystem für den Ladenbau. Die Beklagte stellt her und liefert u.a. nach Deutschland das in der Urteilsformel zu Nr. I.1 abgebildete Regalsystem, das die Klägerin ungeachtet als unlautere Nachahmung ihres eigenen Systems ansieht. Sie geht von einer vermeidbaren Täuschung der Endabnehmer über die betriebliche Herkunft aus, die nicht durch ein Kompatibilitätsinteresse oder dadurch ausgeschlossen werde, dass die Teile vielfach mit Einstanzungen des Beklagtenkennzeichens F versehen sind. Außerdem werde die Wertschätzung ihres Regalsystems von der Beklagten ausgenutzt und beeinträchtigt. Hierzu behauptet sie, die Bauteile der Beklagten seien qualitativ minderwertig, weil sie nur wesentlich geringeren statischen Anforderunge...