Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Verbundentscheidung. Scheidungsverbundverfahren: Unzulässigkeit eines die Ehescheidung betreffenden Teilurteils bei Widerruf eines Unterhaltsvergleichs
Leitsatz (amtlich)
Werden im Scheidungsverbund neben der Scheidungs- und der Versorgungsausgleichssache auch die Unterhaltsache auf Zahlung von nachehelichem anhängig gemacht, kann grundsätzlich bei Abschluss eines Widerrufsvergleichs in der Unterhaltssache das Scheidungsurteil erst nach Ablauf der Widerrufsfrist verkündet werden.
Vor Ablauf der Widerrufsfrist darf daher - soweit das Unterhaltsverfahren nicht abgetrennt wird - kein Scheidungsurteil ergehen, da ansonsten bei Widerruf des Unterhaltsvergleichs ein unzulässiges Teilurteil hinsichtlich des Scheidungs- und Versorgungsausgleichsverfahrens vorliegen würde und über die Folgesache Unterhalt noch entschieden werden müsste.
Wird dennoch vor Ablauf der Widerrufsfrist das Scheidungsurteil verkündet und wird der Vergleich widerrufen, so ist die Entscheidung aufzuheben und die Sache an das Familiengericht wegen eines schwerwiegenden Verfahrensmangels (unzulässiges Teilurteil), der darin besteht, dass das Familiengericht gegen die Regelung verstoßen hat, dass in Familiensachen des § 621 Abs. 1 Nr. 5 bis 9, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO, soweit eine Entscheidung für den Fall der Scheidung zu treffen ist und von einem Ehegatten rechtzeitig begehrt wird, hierüber gleichzeitig und zusammen mit der Scheidungssache zu verhandeln und, sofern dem Scheidungsantrag stattgegeben wird, zu entscheiden ist (Folgesachen).
Normenkette
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 5-9, Abs. 2 S. 1 Nr. 4, §§ 623, 628
Verfahrensgang
AG Bonn (Urteil vom 09.02.2009; Aktenzeichen 41 F 336/08) |
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 9.2.2009 verkündete Urteil des AG - Familiengericht - Bonn - 41 F 336/08 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Familiengericht zurückverwiesen.
Gründe
Die zulässige - insbesondere form- und fristgerecht eingelegte - Berufung der Antragsgegnerin hat auch in der Sache insoweit Erfolg, als diese zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Familiengericht zurückzuverweisen war.
Das erstinstanzliche Verfahren leidet unter einem schweren Verfahrensmangel. Denn das Familiengericht hat durch unzulässiges Teilurteil über den Scheidungsantrag und die Folgesache "Versorgungsausgleich" entschieden, ohne auch gleichzeitig über die anhängige Folgesache nachehelicher Unterhalt zu befinden. Das Familiengericht hat weder die Folgesache nachehelicher Unterhalt formal abgetrennt, noch hätten die Abtrennungsvoraussetzungen vorgelegen.
Scheidet aber das Familiengericht eine Ehe, ohne zugleich über eine Folgesache zu entscheiden, so liegt hierin ein schwerer Verfahrensfehler (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 623 Rz. 2 m.w.N.).
Der wesentliche Verfahrensfehler liegt in dem Verstoß begründet, dass, soweit in Familiensachen des § 621 Abs. 1 Nr. 5 bis 9, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO eine Entscheidung für den Fall der Scheidung zu treffen ist und von einem Ehegatten rechtzeitig begehrt wird, hierüber gleichzeitig und zusammen mit der Scheidungssache zu verhandeln und, sofern dem Scheidungsantrag stattgegeben wird, zu entscheiden ist (Folgesachen). Dies hat das Familiengericht missachtet.
Neben der Scheidungs- und Versorgungsausgleichssache war des Weiteren die Unterhaltssache auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt in Form der Stufenklage anhängig. Am 9.2.2009 wurde in nicht-öffentlicher Sitzung die Sache verhandelt. Die anwaltlich vertretene Anwaltsgegnerin hat zum Scheidungsantrag keinen Antrag gestellt. Im Anschluss an die Verhandlung über den Scheidungsantrag des Antragstellers wurde dann der Versorgungsausgleich erörtert und der nacheheliche Unterhalt angesprochen. Nach Erörterung hierzu hat der Familienrichter vorgeschlagen, den zur Zeit gezahlten Trennungsunterhaltsbetrag zu reduzieren auf monatlich 400 EUR, so dass der Antragsteller dann der Antragsgegnerin zusätzlich die Krankenversicherungsbeiträge nach der Scheidung bezahle. Entsprechend diesem Vorschlag ist sodann ein Widerrufsvergleich geschlossen worden. Den Parteien blieb vorbehalten, diesen Vergleich durch schriftliche Anzeige zu den Gerichtsakten innerhalb von vier Wochen zu widerrufen. Nach Abschluss des Widerrufsvergleichs ist mit am 9.2.2009 verkündetem Urteil - 41 F 336/08 AG Bonn - die Ehe geschieden worden. Innerhalb der Widerrufsfrist haben dann beide Parteien den Unterhaltsvergleich widerrufen. Hierauf hat die Antragsgegnerin Berufung mit der Begründung eingelegt, dass die Ehe geschieden worden sei, ohne dass die Verbundsache "Unterhalt" abgetrennt worden sei. Es habe auch von keiner Seite ein Antrag auf Abtrennung vorgelegen. Im Übrigen seien die Voraussetzungen für eine Abtrennung nicht gegeben. Mit ihrer Berufung begehrt die Antragsgegnerin die Zurückverweisung der Sache und Wiederherstellung des ...