Entscheidungsstichwort (Thema)
Amtshaftung. Nutzungsbeeinträchtigung
Leitsatz (amtlich)
Die nur vorübergehende Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit eines Hauses durch Einsichtsmöglichkeiten vom Nachbarhaus aus oder durch die Entziehung von Licht stellt keinen ersatzfähigen Vermögensschaden dar. Ebensowenig besteht ein Anspruch auf Geldausgleich nach § 906 Abs.2 BGB.
Normenkette
GG Art. 34; BGB §§ 839, 906; OBG NW § 39 Abs. 1b
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 16.04.1991; Aktenzeichen 5 O 390/90) |
Tenor
Die Berufung gegen das am 16. April 1991 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 5 O 390/90 – wird zurückgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens zu je 1/2 Anteil. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
1.
Den Klägern steht ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte weder nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG noch nach § 39 Abs. 1 b OBG zu. Ihnen ist kein ersatzfähiger Vermögensschaden entstanden.
a)
Ein Anspruch wegen Minderung des Verkehrswerts ihres Grundstücks durch die vom unzulässigen Dachgeschoßaufbau des Nachbarhauses ausgehende Beeinträchtigung besteht nicht. Die Beeinträchtigung ist, auch wenn sie inzwischen schon über 8 Jahre anhält, nicht von Dauer, sondern nur vorübergehend. Die Beklagte ist aufgrund rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 29.03.1988 verpflichtet, der Nachbarin durch Ordnungsverfügung den Abriß der am 07.06.1983 genehmigten Aufstockung ihres Hauses aufzugeben. Sie hat das inzwischen, wenn auch vielleicht nur gezwungen durch die Zwangsgeldandrohung des Verwaltungsgerichts Köln mit Beschluß vom 12.02.1991, getan. Sie hat den Mietern der Dachgeschoßwohnungen aufgegeben, diese bis zum 31.12.1991 zu räumen, und der Nachbarin eine Frist zum Abriß bis zum 31.03.1992 gesetzt.
Bei einer nur vorübergehenden Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit eines Grundstücks kommt ein Anspruch wegen Minderung des Verkehrswerts nicht in Betracht, weil es nach Wegfall der Beeinträchtigung an einem Minderwert fehlt. Richtig mag sein, daß die Kläger in der Zeit, in der über den Abriß des Dachgeschosses des Nachbarhauses noch nicht rechtskräftig entschieden war, auf dem Markt nur einen geringeren Kaufpreis für ihr Grundstück hätten erzielen können. Darauf kommt es, nachdem inzwischen rechtskräftig über die Verpflichtung zum Abriß entschieden ist, jedoch nicht an. Im übrigen haben die Kläger selbst nicht vorgetragen, in der Vergangenheit die Absicht gehabt zu haben, ihr Grundstück zu verkaufen.
Belanglos ist ferner, daß nach enteignungsrechtlichen Grundsätzen beim vorübergehenden Entzug von Nutzungen bzw. Nutzungsmöglichkeiten des Grund und Bodens eine Verzinsung der Minderung des Bodenwerts – „Bodenrente” – in Betracht kommt. Das setzt nämlich die Blockierung wirtschaftlicher Nutzungsmöglichkeiten voraus (vgl. Aust-Jacobs, Enteignungsentschädigung 3. Aufl. S. 201/2, 314/5). Daran fehlt es bei der hier in Rede stehenden Nutzung des auf dem Grundstück der Kläger befindlichen Gebäudes als Eigenheim, die auch während der Zeit der Beeinträchtigung ohne weiteres möglich blieb und tatsächlich erfolgte.
b)
Die vorübergehende Beeinträchtigung ist nicht unter dem Gesichtspunkt entgangener Gebrauchsvorteile ersatzfähig. Im Anschluß an den Beschluß des Großen Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 09.07.1986 (NJW 1987, 50 ff.) ist in der Rechtsprechung allerdings anerkannt, daß es einen ersatzfähigen Vermögensschaden darstellt, wenn der Eigentümer eines von ihm selbst bewohnten Hauses infolge eines deliktischen Eingriffs in das Eigentum die Sache vorübergehend nicht benutzen kann, auch wenn ihm hierdurch keine zusätzlichen Kosten entstehen oder Einnahmen entgehen. Hier geht es aber nicht um einen Gebrauchsverlust, sondern um eine Gebrauchsbeeinträchtigung. Die Kläger machen geltend, sie würden in der Nutzung ihres Eigenheims gestört, weil ihr Grundstück vom ausgebauten Dachgeschoß des Nachbarhauses aus eingesehen werden könne, weil die unzulässige Aufstockung den Einfall von Licht auf ihr Grundstück behindere und weil die vom Nachbargrundstück ausgehende Geräuschbelästigung das zumutbare Maß überschreite. Diese Beeinträchtigungen schlossen eine Nutzung des auf ihrem Grundstück befindlichen Gebäudes als Eigenheim nicht aus. Die vorübergehende Gebrauchsbeeinträchtigung eines eigengenutzten Hauses durch eine unerlaubte Handlung begründet keinen ersatzfähigen Vermögensschaden, wenn der Eigentümer, sei es auch unter fühlbaren Erschwernissen, sein Haus weiter benutzen kann (BGH NJW 1980, 775 ff.). Eine andere Beurteilung würde die Abgrenzung zwischen – grundsätzlich ersatzfähigem – Vermögensschaden und – grundsätzlich nicht ersatzfähigem (§ 253 BGB) – immateriellem Schaden verwischen. Das, was die Kläger als Beeinträchtigung anführen, betrifft ausnahmslos den immateriellen Bereich. Es geht um einen früher vorhandenen (und nach Beseitigung des Dachgeschoßaufbaus wieder eintretenden) Lagevorteil, der für di...