Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Schaffung übermäßiger Spielanreize i.S.v. §§ 4 Abs. 3, 1 Satz 1, Ziff. 3 LottStV durch Werbeaussagen in Klassenlotterie
Leitsatz (amtlich)
1. Die Begehung eines Wettbewerbsverstoßes durch telefonische Werbeansprache begründet keine Wiederholungsgefahr dahingehend, dass die Äußerungen erneut in schriftlichen Werbeschreiben erfolgen. Dasselbe gilt für den umgekehrten Fall, wenn schriftliche Aussagen in einem (zum Gegenstand des Antrags) gemachten Kontext stehen, der in seiner Gesamtheit in einem mündlichen Gespräch kaum herzustellen ist.
2. Die Werbeaussagen des Veranstalters einer Klassenlotterie
- "Spielen Sie mindestens 3-4 Monate, weil sich dann erfahrungsgemäß die ersten Gewinne einstellen"
- "Nehmen Sie mit Hochquotenlosen mit Gewinnchance von 53 % teil"
- "Reservieren Sie gleich heute mit beigefügtem Bestellschein oder unter www.xy.de. Und: je mehr Lose, desto höher Ihre Gewinnchance"
- "Nutzen Sie Ihre Gewinnchance von 100 %. Werden Sie Millionär"
"Stecken Sie Ihren Gewinn-Options-Schein in das portofreie Antwort-Kuvert und senden Sie es am besten heute noch an uns ab"
schaffen unangemessene Spielanreize i.S.v. §§ 4 Abs. 3, 1 Satz 1, Ziff. 3 LottStV, soweit sie die besondere, Sucht begründende Gefahr nutzen, dass Spieler ihren Verlusten hinterher jagen, das Lotterieangebot unrealistisch verlockend darstellen, dem natürlichen Instinkt entgegenwirken, den Einsatz und damit das Verlustrisiko zu begrenzen oder einen unmittelbaren Aufforderungscharakter haben und damit Zeitdruck schaffen.
3. Zugleich sind die Aussagen geeignet, unzutreffende Vorstellungen über die Gewinnchancen hervorzurufen, weil der Verkehr bei der werblichen Herausstellung von Gewinnmöglichkeiten davon ausgeht, dass die Gewinne den Einsatz übersteigen.
4. Die durch Wettbewerbsverstöße zur Zeit der Geltung des Lotteriestaatsvertrags begründete tatsächliche Vermutung für das Bestehen der Wiederholungsgefahr entfällt nicht durch die Änderung der Rechtslage seit Inkrafttreten des Glückspielstaatsvertrages, namentlich dessen die Werbung regelnden § 5, solange der Lotteriebetreiber nicht annehmen durfte, nach bisherigem Recht zu der beanstandeten Werbung berechtigt zu sein.
Normenkette
LottStV § 4 Abs. 3; UWG § 4 Nr. 11
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 29.10.2006; Aktenzeichen 14 O 80/06) |
Tenor
1.) Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des LG Bonn vom 29.10.2006 unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, Ordnungshaft zu vollziehen an ihrem Direktor, zu unterlassen, durch
a) telefonische Direktansprache von Verbrauchern für die Teilnahme an ihren Lotterien über die sachliche Informationen zur Art und Weise der Teilnahmemöglichkeit an der Lotterie bzw. dem Glücksspiel hinaus zu werben und/oder werben zu lassen, nämlich durch Ermunterungen und Anreizungen von Verbrauchern mit folgenden Aussagen
(1) "Spielen Sie mindestens 3 - 4 Monate, weil sich dann erfahrungsgemäß die ersten Gewinne einstellen"
und/oder
(2) "Nehmen Sie mit Hochquotenlosen mit Gewinnchance von 53 % teil"
und/oder
b) postalische (einschließlich elektronischer Post) Direktansprache von Verbrauchern für die Teilnahme an ihren Lotterien über die sachliche Informationen zur Art und Weise der Teilnahmemöglichkeit an der Lotterie bzw. dem Glücksspiel hinaus zu werben und/oder werben zu lassen, nämlich durch Ermunterungen und Anreizungen von Verbrauchern mit folgenden Aussagen
(1) "Reservieren Sie gleich heute mit beigefügtem Bestellschein oder unter www.lm.de. Und: je mehr Lose, desto höher Ihre Gewinnchance"
wenn dies geschieht wie nachstehend wiedergegeben:
und/oder
(2) "Nutzen Sie Ihre Gewinnchance von 100 %. Werden Sie Millionär"
und/oder
(3) "Stecken Sie Ihren Gewinn-Options-Schein in das portofreie Antwort-Kuvert und senden Sie es am besten heute noch an uns ab"
wenn dies jeweils geschieht wie nachstehend wiedergegeben:
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2.) Die Kosten des Rechtsstreits verteilen sich wie folgt:
Die Kosten des Verfahrens erster Instanz tragen die Klägerin zu 7/8 und die Beklagte zu 1/8.
Die Kosten des Berufungsverfahren und des Revisionsverfahrens, einschließlich der Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, tragen die Klägerin zu 2/9 und die Beklagte zu 7/9.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann jedoch die Vollstreckung des Unterlassungsausspruchs durch Sicherheitsleistung i.H.v. 50.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Vollstreckung des Kostenausspruchs können die Parteien jeweils durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden...