Leitsatz (amtlich)
1. Das Erlaubniserfordernis nach § 10 Abs. 1, Satz 1 ZAG für die Erbringung von Zahlungsdienstleistungen stellt eine Marktverhaltensnorm im Sinn des § 3 a UWG dar.
2. Ein Marktverhalten kann erst dann nicht mehr lauterkeitsrechtlich beanstandet werden, wenn es durch einen - nicht nichtigen - Verwaltungsakt der zuständigen Behörde ausdrücklich erlaubt worden ist. Ein lediglich feststellender Verwaltungsakt, dass ein bestimmtes Geschäftsmodell nicht unter die Erlaubnisform fällt, reicht insoweit nicht aus.
3. Für die Schwellenwerte der Ausnahmevorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 11 a) ZAG ist nicht auf das Verhältnis zwischen Diensteanbietern und Aggregatoren, sondern auf die Abrechnungsvorgänge beim Endnutzer abzustellen.
Normenkette
UWG § 3 a; ZAG § 2 Abs. 1 Nr. 11 a), § 10 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 31 O 148/20) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 3.5.2022 - Az. 31 O 148/20 - wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Köln sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin ist ein in Österreich ansässiges Unternehmen, das gegenüber Dritten Dienstleistungen im Bereich des Mobile Payment in Deutschland anbietet. Sie veranlasst Mobilfunknetzbetreiber, Forderungen gegenüber Endkunden mit der Mobiltelefonrechnung in Rechnung zu stellen und durch den Mobilfunkanbieter einziehen zu lassen. Die Klägerin verfügt über eine Zulassung der für sie zuständigen österreichischen Behörde für Finanzmarktaufsicht.
Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der in Schweiz ansässigen O. Limited und im Bereich Mobile Payment in Deutschland tätig. Anders als bei der Klägerin treten im Factoring-Modell der Beklagten Anbieter digitaler Inhalte ihren Zahlungsanspruch gegen den Endkunden an die Beklagte ab. Die Beklagte tritt ihrerseits den Anspruch an einen Mobilfunknetzbetreiber ab, der den Zahlungsbetrag über die Mobilfunkrechnung vom Endkunden einzieht. Die Beklagte verfügt über keine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) nach dem deutschen Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG).
Die Klägerin mahnte das Verhalten der Beklagten mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 21.4.2020 erfolglos als wettbewerbswidrig ab.
Während des Verfahrens teilte die BaFin der Beklagten auf deren Anfrage vom 15.7.2021 unter dem 16.9.2021 mit, dass das Geschäftsmodell der Beklagten in der von der Beklagten geschilderten Form anzeigepflichtig, aber nicht erlaubnispflichtig sei (Anlage B 29).
Die Klägerin hat gemeint, dass das von der Beklagten betriebene Geschäftsmodell einer Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 ZAG bedürfe, weil eine zulassungspflichtige Zahlungsdienstleistung in Form eines Akquisitionsgeschäfts nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 ZAG oder eines Finanztransfergeschäfts nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 ZAG vorliege. Eine Ausnahme nach § 2 Abs. 1 Nr. 11 ZAG liege nicht vor, weil die Beklagte keine Anbieterin von elektronischen Telekommunikationsnetzen oder -diensten sei, sondern ihre Haupttätigkeit darin liege, Zahlungsdienstleistungen zu erbringen, die nicht innerhalb eines Konzerns nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 ZAG erfolgten. Die Vorschriften des ZAG zur Erlaubnispflicht seien Marktverhaltensregeln, der Verstoß dagegen sei für Verbraucher spürbar, weil die Erlaubnispflicht Standards für Qualität, Sicherheit und Unbedenklichkeit im Interesse der Verbraucher festsetzten.
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2021 keinen Antrag gestellt, worauf gegen sie ein Versäumnisurteil ergangen ist, mit dem sie antragsgemäß verurteilt worden ist,
unter Meidung von Ordnungsmitteln Zahlungsdienste zu erbringen, ohne Zahlungsdienstleister im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 5 ZAG zu sein, indem sie gegenüber Dritten, die entgeltlich Waren oder Dienstleistungen, die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden, deren Nutzung oder Verbrauch auf ein technisches Gerät beschränkt ist und die in keiner Weise die Nutzung oder den Verbrauch von Waren oder Dienstleistungen in physischer Form einschließen (nachfolgend "digitale Inhalte") und Sprachdienste gegenüber Endkunden zu verbreiten (nachfolgend "Anbieter"), Leistungen der nachfolgend beschriebenen Art zu erbringen, ohne dass sie dafür die nach § 10 Abs. 1 S. 1 ZAG erforderliche schriftliche Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) erteilt bekommen hat. Sie nehme von Mobilfunknetzbetreibern unbar Geldbeträge entgegen, die die Mobilfunknetzbetreiber wiederum von Inhabern eines Mobiltelefonanschlusses (nachfolgend "Mobilfunkkunde") erhalten haben und die die Gegenleistung für von einem Anbieter an den Mobilfunkkunden gelieferter digitale...