Entscheidungsstichwort (Thema)
Apothekerhaftung; Haftung bei Abgabe von Medikamenten an Angehörige des Patienten
Leitsatz (amtlich)
Ein Apotheker handelt nicht pflichtwidrig, wenn er ein verschreibungspflichtiges, potentiell gefährliches (hier morphinhaltiges) Medikament an einen erwachsenen Angehörigen des Patienten auch ohne dessen ausdrücklicher oder stillschweigender Bevollmächtigung aushändigt, sofern keine konkreten Anhaltspunkte gegeben sind, die für einen vorsätzlichen Missbrauch oder eine fahrlässig falsche Verwendung des Medikamentes sprechen.
Normenkette
BGB §§ 280, 433, 823; AMG § 48
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 29.05.2013; Aktenzeichen 9 O 416/12) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 29.5.2013 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Bonn - 9 O 416/12 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das vorliegende Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der am 0.0.1936 geborene Kläger und seine Ehefrau, die seit dem Jahr 2009 getrennt lebten, waren Kunden in der Apotheke des Beklagten. Wegen einer dementiellen Erkrankung des Klägers wurde dessen Ehefrau durch Beschluss des AG Bonn vom 29.8.2011 zu dessen Betreuerin mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge, Behörden- und Vermögensangelegenheiten bestellt. Unter dem 12.9.2011 wurde ihr die Bestellungsurkunde übergeben.
Der Urologe E verordnete dem Kläger die Creme Dermatop und das Prostatamedikament Alfuzosin Winthrop Uno. Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. N verordnete der Ehefrau des Klägers im Rahmen einer Schmerztherapie Morphin ratiopharm 60 Tabletten. Das Rezept von Frau Dr. N wurde per Telefax an die Apotheke des Beklagten übermittelt. Nach den vom Beklagten vorgelegten Zusammenstellungen der Gesamtmedikation des Klägers und seiner Ehefrau im Jahr 2011 wurden das Rezept des Arztes E am 11.10.2011 und das Rezept der Ärztin Dr. N am 12.10.2011 in der Apotheke des Beklagten registriert. Der Beklagte händigte dem Kläger das Medikament Morphin ratiopharm 60 Tabletten aus. Der genaue zeitliche Verlauf und das weitere Geschehen in der Apotheke sind zwischen den Parteien streitig.
Der Kläger nahm zwei Tabletten ein. Ihm wurde übel, er erbrach und rief seine Ehefrau an, die einen Rettungswagen anforderte, mit dem der Kläger in das N2 Krankenhaus in C gebracht wurde. Ausweislich des Entlassungsberichts vom 21.10.2011 wurde er dort vom 14.10.2011 bis 21.10.2011 u.a. unter der Diagnose Unruhezustände mit Fremdaggressivität bei dementiellem Syndrom, Suizidalität und Kardiale Linksdekompensation behandelt. Am 21.10.2011 wurde der Kläger in die Abteilung für Gerontopsychiatrie der LVR-Klinik C verlegt, wo die stationäre Behandlung unter den Diagnosen Organische Persönlichkeits- und Verhaltensstörung aufgrund Gehirnkrankheit sowie Demenz bis zum 22.11.2011 fortgesetzt wurde. Seit dem 22.11.2011 befindet sich der Kläger im J-Sanatorium in C in Pflege.
Der Kläger hat in der Klageschrift behauptet, dass er am 13.10.2011 die Apotheke des Beklagten aufgesucht, das Rezept des ihn behandelnden Arztes E abgegeben und um Aushändigung seiner Medikamente gebeten habe. Ihm sei sodann das für seine Ehefrau verordnete Medikament Morphin ratiopharm 60 übergeben worden. Die ihm verschriebenen Medikamente seien nicht dabei gewesen. Er habe den Vorgang daher nur so deuten können, dass ihm die für ihn selbst bestimmten Medikamente ausgehändigt worden seien. Dem Beklagten sei bekannt gewesen, dass er, der Kläger, nicht mehr mit seine Ehefrau zusammen gewohnt habe und dass er gesundheitlich beeinträchtigt gewesen sei. Vor der Einnahme des Morphins habe er seine täglichen Belange selbst regeln können und eigenständig in seiner Wohnung gelebt. Besorgungen habe er selbständig machen können. Die Einnahme des Medikaments sei ursächlich für die Verschlechterung seines Zustands und die bestehende Pflegebedürftigkeit.
Im Schriftsatz vom 7.5.2013 hat der Kläger behauptet, dass die Ärztin Dr. N das Rezept für seine Ehefrau am 11.10.2011 nach 21.00 Uhr an den Beklagten gefaxt habe. Am 12.10.2011 sei das Medikament, das vorrätig gewesen sei, vor 10.00 Uhr von ihm abgeholt worden. Seine Ehefrau sei etwa um 10.00 Uhr zur Apotheke des Beklagten gekommen und habe von diesem Sachverhalt erfahren.
Der Kläger hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens aber i.H.v. 200.000 EUR, nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.3.. 2012 zu zahlen,
2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm allen zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der auf die falsche ...