Entscheidungsstichwort (Thema)
Verspätete Zustellung einer Expresssendung (Angebotsunterlagen)
Normenkette
HGB § 425 Abs. 1, § 431 Abs. 3, §§ 435, 449
Verfahrensgang
AG Bonn (Urteil vom 18.11.2004; Aktenzeichen 14 O 156/03) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 18.11.2004 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des LG Bonn (14 O 156/03) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin durch Leistung einer Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen verspäteter Auslieferung eines Express-Briefes.
Die Klägerin lieferte am 7.5.2001 um 19.20 Uhr einen Express-Brief im Briefzentrum der Beklagten in Greven ein. Der Express-Brief erhielt die IdentCode-Nr. ... Die Beklagte verpflichtete sich, die Auslieferung des Express-Briefes bis spätestens zum 8.5.2001, 12.00 Uhr, vorzunehmen. Tatsächlich erhielt der Express-Brief dann jedoch erst am 8.5.2001 um 19.29 Uhr eine Eingangsscannung und um 20.07 Uhr eine Ausgangsscannung des Briefzentrums in Greven. Ausgeliefert wurde der Express-Brief am 9.5.2001 um 9.32 Uhr. Die Beklagte ersetzte der Klägerin einen der dreifachen Fracht entsprechenden Betrag i.H.v. 29,13 EUR wegen der verspäteten Auslieferung und wies weiter gehende Ansprüche zurück.
Die Klägerin hat behauptet, der Express-Brief habe Ausschreibungsunterlagen enthalten. Aufgrund der verzögerten Auslieferung habe sie die Ausschlussfrist in einem Ausschreibungsverfahren der Bezirksregierung Hannover verpasst. Wäre der Express-Brief rechtzeitig ausgeliefert worden, so hätte sie den Zuschlag für eine Kampfmittelräumung erhalten. Ihr sei daher ein Gewinn i.H.v. 60.182,39 EUR entgangen.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 60.182,39 EUR nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 20.8.2002 sowie 72 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 % über dem Basiszinssatz ab dem 3.6.2004 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Die Beklagte hat den Inhalt der Sendung sowie den von der Klägerin behaupteten hypothetischen Kausalverlauf einschließlich des angeblich entgangenen Gewinns bestritten; im Übrigen sei die Klägerin für die Entstehung des Schadens mitverantwortlich. Zur Ursache für die verzögerte Auslieferung hat die Beklagte darauf hingewiesen, diese sei nicht mehr aufzuklären. Schließlich hat sie die Einrede der Verjährung erhoben.
Das LG hat der Klage nach Beweisaufnahme zur Frage des Inhalts des Express-Briefs, zum hypothetischen Kausalverlauf bei rechtzeitiger Auslieferung und zum entgangenen Gewinn im Wesentlichen stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 55.695,31 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB verurteilt. Es hat als erwiesen angesehen, dass der Express-Brief, wie von der Klägerin behauptet, Ausschreibungsunterlagen enthielt, die Beklagte gerade wegen der verzögerten Auslieferung den Zuschlag im Ausschreibungsverfahren für die Kampfmittelräumung nicht erhalten konnte und ihr ein Gewinn i.H.v. 55.724,44 EUR entgangen sei. Rechtlich hat das LG den Anspruch auf § 425 Abs. 1 HGB gestützt und ausgeführt, die Beklagte könne sich auf die in § 431 Abs. 3 HGB vorgesehene Haftungsbeschränkung nicht berufen, da ihre Hilfspersonen vorsätzlich oder leichtfertig in dem Bewusstsein, dass der Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, gehandelt hätten, § 435 HGB; insoweit habe die Beklagte den gegen sie sprechenden Beweis des ersten Anscheins nicht widerlegen können. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf das landgerichtliche Urteil (GA Bl. 221-227) Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie wendet sich insb. gegen die Annahme des LG, sie müsse unbeschränkt haften. Zwar sei die Sendung unstreitig verspätet ausgeliefert worden und es sei auch davon auszugehen, dass der Klägerin ein Gewinn in zuerkannter Höhe "theoretisch" entgangen sei. Nicht gerechtfertigt sei aber die Annahme des LG, dass die Beklagte gem. § 435 HGB unbeschränkt hafte. Insoweit sei die Annahme eines gegen die Beklagte sprechenden Anscheinsbeweises verfehlt; die hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Regeln seien auf den postalischen Massenverkehr mit Briefen schon generell nicht anwendbar, jedenfalls aber nur auf Verlust und allenfalls noch auf die Beschädigung von Frachtgut, nicht aber auf Lieferverzögerungen wie hier. Weitere Umstände, die die Annahme eines qualifizierten Verschuldens auf Seiten der Beklagten rechtfertigen könnten, seien weder vorgetragen noch ersichtlich; es sei daher von einem Flüchtigkeitsfehler oder Augenblicksversagen, nicht aber von Leichtfertigkeit oder Vorsatz auszugehen. Hinsichtlich der Höhe des zuerkannten Schadensersatzanspruchs habe das LG fehlerhaft keinen Abzug für ersparte Aufwendungen...