Entscheidungsstichwort (Thema)
Auskunftsanspruch bei Urheberrechtsverletzung gegen in der Schweiz ansässigen sog. Sharehoster
Leitsatz (amtlich)
1. Ein sog. Sharehoster, der (umfangreichen) virtuellen Speicherplatz zur Verfügung stellt, ist für Ansprüche aus § 101 Abs. 1 UrhG passivlegitimiert, wenn der Rechtsverletzer den Speicherplatz zum Einstellen urheberrechtlich geschützter Werke nutzt und durch Verlinkung auf einer weiteren Internetseite der Öffentlichkeit den Zugriff auf die eingestellten Werke ermöglicht.
2. Das Statut für Verletzungen von Datenschutzrechten der Anbieter ist nicht vom Urheberrechtsstatut erfasst, sondern gesondert nach § 40 Abs. 1 EGBGB zu ermitteln, wonach der Handlungsort und damit der Sitz des Sharehosters maßgeblich ist.
3. Das schweizerische Datenschutzrecht steht einer Auskunft des Sharehosters über Namen und Anschrift der Anbieter nicht entgegen.
4. Nach dem für die Auslegung verbindlichen Wortlaut des § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG ist der zur Auskunft Verpflichtete nicht zu Angaben über Bank- und Telefondaten verpflichtet, auch wenn der Rechtsinhaber dann seine Ansprüche im Ergebnis nicht durchsetzen kann.
5. Mit dem Begriff der "Anschrift" in § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG hat der Gesetzgeber jede Art von Adresse, und damit auch die email-Adresse gemeint.
Normenkette
UrhG § 101 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 3; UrhG § Abs. 7; EGBGB § 40
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 28 O 826/09) |
Tenor
I.) Die Berufungen der Antragstellerinnen und der Antragsgegnerin werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Hauptausspruch der landgerichtlichen Entscheidung wie folgt neu gefasst wird:
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben,
1.) der Antragstellerin zu 1) Auskunft zu erteilen über den Namen, die Anschrift und die E-Mail-Adresse der auf der Internetseite "sexuria. com" unter dem Benutzernamen "neo596" auftretenden Person, soweit sie über diese Daten verfügt;
2.) der Antragstellerin zu 2) Auskunft zu erteilen über die Namen, die Anschriften und die E-Mail-Adressen der auf der Internetseite "sexuria. com" unter den Benutzernamen "teufel" und "sumo" auftretenden Personen, soweit sie über diese Daten verfügt;
II.) Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen haben die Antragstellerinnen zu 1) und 2) zu je ¼ und die Antragsgegnerin zu ½ zu tragen.
Gründe
A) Die Antragstellerinnen nehmen die in der Schweiz ansässige Antragsgegnerin umfangreich auf Auskünfte mit der Begründung in Anspruch, sie seien Inhaberinnen der Nutzungsrechte an den beiden Pornofilmen "Meine geile Nachbarin" und "Gina deckt auf 9", die von Unbekannten unter den Pseudonymen "neo596", "Teufel" und "sumo" auf der Seite www.sexuria.com" in das Internet eingestellt worden seien, wo sich entsprechende Links auf die von der Antragsgegnerin betriebene Plattform "uploaded. to" befänden, über die die Filme zugänglich gemacht werden.
Das LG hat die einstweilige Verfügung nach mündlicher Verhandlung unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags gestützt auf § 101 UrhG teilweise erlassen und der Antragsgegnerin aufgegeben, den Antragstellerinnen Auskunft über die Namen und Anschriften der unter Pseudonymen auftretenden Nutzer sowie über deren E-Mail-Adresse zu erteilen.
Die Antragstellerinnen hätten mit Hinblick auf den angebrachten C-Vermerk ihre Aktivlegitimation bezüglich der Rechte an den als Laufbilder geschützten Filmen glaubhaft gemacht und die Antragsgegnerin sei aus § 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG passivlegitimiert. Hinsichtlich beider Filme sei das gewerbliche Ausmaß zu bejahen, weil diese sich in der Erstveröffentlichungsphase befunden hätten, und die widerrechtliche Nutzung sei auch i.S.d. Art. 101 Abs. 7 UrhG offensichtlich, weil die Filme über ihren Hash-Wert eindeutig identifiziert worden seien. Auf ein etwaiges Zeugnisverweigerungsrecht nach schweizerischem Recht könne sich die Antragsgegnerin nicht berufen, weil das Recht der Schweiz nicht anwendbar sei. Die Antragsgegnerin schulde nach Wortlaut und Sinn und Zweck der Bestimmung des § 101 UrhG allerdings nur die Angabe der Namen und Anschriften der Nutzer, wozu aber angesichts des modernen Kommunikationsverkehrs auch deren E-Mail-Anschrift gezählt werden müsse. Die darüber hinaus verlangten Auskünfte über insbesondere die Bankdaten könnten allenfalls nach § 101a UrhG, nicht aber nach § 101 UrhG verlangt werden.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt, mit der sie jeweils ihr erstinstanzliches Ziel weiter verfolgen.
Die Antragsgegnerin trägt zur Begründung ihres Begehrens, den Verfügungsantrag vollständig zurückzuweisen, vor, es liege schon gar keine von ihr verantwortete Verletzungshandlung vor, weil die Nutzer unter den im Urteilstenor aufgeführten Pseudonymen nicht bei der von ihr betriebenen Plattform "Uploaded", sondern (nur) auf der Webseite www.sexuria.com aufgetreten seien, die indes nicht von ihr betrieben werde. Zudem komme (auch) schweizerisches Datenschutzrecht zur Anwendung, das indes die Bekanntgabe der verfahrensgegenständlichen Daten un...