nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Amtshaftung. Haftung der Gemeinde für Sturz eines Kindes von Spielgerät
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verwendung von Steinplatten als Untergrund eines Spielgerätes auf einem Spielplatz, bei dem die Möglichkeit besteht, dass ein Kind aus einer Höhe von mehr als einem Meter abstürzen kann, stellt grundsätzlich eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht dar.
2. Für die Bestimmung der möglichen Fallhöhe (hier von einer Wendeltreppe) kommt es nur darauf an, von welchem Punkt der Körper zu Boden fallen kann, ohne nennenswert abgebremst zu werden; nicht entscheidend ist, ob der fallende Körper zuvor andere Teile des Gerätes (etwa Treppenstufen) lediglich berührt.
3. Auf eine unzureichende Beaufsichtigung des Kindes durch eine aufsichtspflichtige Person kann sich die Gemeinde nicht berufen (Anschluss an BGH NJW 1988, 2667 f.).
Normenkette
GG Art. 34; BGB §§ 839, 847
Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 4 O 354/98) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten und der Streithelferin zu 2) gegen das Teil-Grundurteil des Landgerichts Aachen vom 8.9.1999 (4 O 354/98) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt lautet:
Die Klage ist bezüglich des geltend gemachten Schmerzensgeldes dem Grunde nach gerechtfertigt.
Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger allen weiteren noch entstehenden materiellen und immateriellen Schaden aus dem Unfall vom 16.9.1997 auf dem L.platz in A. zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen.
Die Kostenentscheidung bleibt hinsichtlich der Kosten erster Instanz dem Schlussurteil vorbehalten.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte mit Ausnahme der Kosten der Streithelferinnen, die diese selbst tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 11.000.– DM abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Sicherheit kann auch in Form einer Bürgschaft einer deutschen Bank, Sparkasse oder Genossenschaftsbank erbracht werden.
Tatbestand
Der am 14.4.1995 geborene Kläger begehrt von der beklagten Stadt Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzspflicht hinsichtlich des zukünftigen materiellen und immateriellen Schadens aus einem Unfallereignis, das sich am 16.9.1997 auf dem L.platz in A. zugetragen hat. An diesem Tag besuchte der Kläger zusammen mit seiner Mutter und seinem damals fünfjährigen Bruder den von der Beklagten unterhaltenen öffentlichen Spielplatz auf dem L.platz. Bei dem L.platz handelt es sich ausweislich der überreichten Lageszizze (Bl. 226 d.A.) um eine etwa 60×30m große Fläche, auf der Bäume angepflanzt und Bänke aufgestellt sind. Außerhalb der bepflanzten Bereiche ist der Platz durchgängig mit Steinplatten ausgelegt. Ferner befinden sich auf dem Platz verteilt ein Sandkasten und drei Spielgeräte. Bei einem dieser Spielgeräte handelt es sich um eine Wendelrutsche, bei der eine Wendeltreppe auf ein 3 Meter hohes Podest führt, von wo aus eine röhrenförmige halbrunde Rutsche hinunter führt. Die Stufen der Wendeltreppe laufen im Winkel von 360° um einen Mittelpfosten aus Metall. Nach außen begrenzt werden sie von vier weiteren Metallpfosten, zwischen denen ein Geländer mit Handlauf von etwa 95 cm Höhe parallel zu den Treppenstufen verläuft. Die Abstände der metallenen Treppenstufen variieren zwischen 19,5 und 23 cm. Während der Auslaufbereich der Rutsche mit sogenannten Fallschutzplatten ausgelegt ist, steht der Treppenbereich vollständig auf Steinplatten. Hersteller dieser Wendelrutsche ist die Streithelferin zu 1). Deren Fundamentplan (Bl. 190) sieht für den gesamten Bereich der Wendelrutsche als Untergrund Sand in einer Dicke von 40 cm vor. Die Streithelferin zu 2) hat zum einen das Spielgerät als generell den Anforderungen des deutschen Gerätesicherheitsgesetzes entsprechend bescheinigt (Bl. 79, 156 f.) und darüber hinaus im Jahre 1996 die auf dem L.platz aufgestellte Wendelrutsche begutachtet. Der entsprechende Bericht der Streithelferin zu 2) enthält unter anderem die Feststellung, dass der Turm der Rutsche den Anforderungen der einschlägigen DIN entspreche, dass aber dennoch empfohlen werde, „im Fallbereich gewaschenen Feinkies oder Fallschutzplatten aufzubringen” (Bl. 82).
Unter im einzelnen streitigen Umständen kam der Kläger zu Fall, wobei er mit schweren Kopfverletzungen am Fuß der Wendeltreppe auf den Steinplatten liegen blieb.
Der Kläger hat behauptet, er habe versucht, die Wendeltreppe der Rutsche zu besteigen, habe den Halt verloren und sei von der siebten oder achten Treppenstufe rückwärts zu Boden gestürzt, wobei er unmittelbar, d.h. ohne zuvor eine andere Treppenstufe oder das Geländer zu berühren, mit dem Kopf auf den Steinplatten aufgeschlagen sei. Er habe u.a. ein Schädel-Hirn-Trauma zweiten Grades und eine Felsenbeinfraktur erlitten. Er sei kurz darauf unfallbedingt an einer Pneumokokkenmeningitis erkrankt. Als Dauerfolgen des Unfal...