Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlerhafte Behandlung eines Handgelenkstrümmerbruchs, Aufklärung über Behandlungsalternativen
Leitsatz (amtlich)
1. Es stellt einen Behandlungsfehler dar, wenn einer in Rotationsfehlstellung verheilten Radiustrümmerfraktur mit Subluxation der Elle nach dorsal bei Instabilität des ulnacarpalen Komplexes und Radiusverkürzung mit einer bloßen Ulnaverkürzungs-Osteotomie anstelle einer Korrektur-Osteotomie begegnet wird.
2. Der Arzt haftet trotz behandlungsfehlerhaften Vorgehens auch unter dem Gesichtspunkt eigenmächtiger Behandlung, wenn er nicht auf die Korrektur-Osteotomie als Behandlungsalternative hinweist.
3. Verbleibende Bewegungseinschränkungen nach einer fehlerhaften und widerrechtlichen Ulnaverkürzungs-Osteotomie stellen einen dem Behandler anzulastenden (§ 287 ZPO) Schaden dar, wenn eine Korrekturosteotomie mit 80%iger Wahrscheinlichkeit zur Beschwerdefreiheit geführt hätte.
4. Ein Schmerzensgeld von 25.000 EUR ist angemessen bei verbliebenen schmerzhaften Bewegungseinschränkungen des rechten Handgelenks, die über einen Zeitraum von 5 Jahren zahlreiche Folgeoperationen nach sich ziehen und zur Berufsunfähigkeit bei einem Ingenieur führen (keine Möglichkeit, eine Computertastatur zu bedienen).
Normenkette
BGB §§ 253, 280, 611, 823; ZPO § 287
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 03.09.2008; Aktenzeichen 25 O 510/05) |
Tenor
Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des Klägers wird das am 3.9.2008 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des LG Köln - 25 O 510/05 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld i.H.v. 25.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2004 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle materiellen sowie künftige immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm infolge der fehlerhaften und rechtswidrigen Behandlung am 13.12.1999 entstanden sind bzw. entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 20 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 80 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte zu 1) als Trägerin des städtischen Krankenhauses L. und den Beklagten zu 2) als behandelnden Chefarzt im Krankenhaus der Beklagten zu 1) auf Ersatz immateriellen und materiellen Schadens wegen drei angeblich fehlerhafter und mangels ausreichender Aufklärung rechtswidriger operativer Eingriffe in den Jahren 1999 und 2000 in Anspruch.
Am 29.7.1999 erlitt der Kläger bei einem Sportunfall eine komplexe, intraartikuläre distale Radiustrümmerfraktur am rechten Handgelenk (23 C3.1 nach AO-Klassifikation). Diese wurde zunächst im D.-Hospital in M. ordnungsgemäß behandelt. Wegen andauernder Beschwerden stellte sich der Kläger erstmals am 18.8.1999 in der Chirurgischen Ambulanz des Krankenhauses der Beklagten zu 1) bei dem Beklagten zu 2) vor. Aufgrund der dort festgestellten Nachsinterung der Trümmerfraktur wurde ihm eine Re-Operation vorgeschlagen, die am 23.8.1999 mit einer offenen Reposition der Gelenkfläche und einer Spongiosa-Unterfütterung des zentralen Knochendefekts mit Plattenversorgung durchgeführt wurde. Wegen der Einzelheiten des Eingriffs wird auf die zur Akte gereichter Kopie des Operationsberichts vom 26.8.1999 (Anlage K 35 zur Klageschrift, SH II) Bezug genommen. Für die Nachbehandlung wurde eine Einschränkung der Supinations- und Pronationsübung aufgrund der radioulnaren Instabilität festgelegt und eine Oberarmschiene angepasst. Im Verlauf kam es zu einer relativen Verkürzung der Speiche zur Elle sowie einer dorsalen Subluxationsstellung der Ulna bei anhaltenden Beschwerden des Klägers. Der Beklagte zu 2) nahm daraufhin am 13.12.1999 eine Korrektur-Osteotomie mit einer Verkürzung der Ulna vor. Wegen der Einzelheiten dieses Eingriffs wird auf den Operationsbericht vom 20.12.1999 (Bl. 143 f. der Behandlungsunterlagen der Beklagten) Bezug genommen. In der ambulanten Nachsorge kam es im weiteren Verlauf wiederum zu keiner wesentlichen Besserung der Beweglichkeit des rechten Handgelenks, so dass eine frühzeitige Implantat-Entfernung empfohlen wurde. Am 16.3.2000 erfolgte bei deutlich induriertem Weichteil im Plattenlager der Speiche die Entfernung von Panusgewebe um die Platte herum sowie die Entfernung der Metallplatte. Im Zuge der operativen Mobilisierung kam es distal des Osteotomiespaltes zu einer Re-Fraktur der Elle. Es wurde volar eine 10-Loch-Platte angel...