Leitsatz (amtlich)

Ob der Reisende beim Tod eines nahen Angehörigen den Reisevertrag nach Antritt der Reise aus wichtigem Grund nach § 314 BGB kündigen kann, ist für den Vergütungsanspruch des Reiseveranstalters ohne Belang. Bricht der Reisende die Reise aus Gründen ab, die - wie der Tod eines nahen Angehörigen - nicht in die Sphäre des Reiseveranstalters, sondern in seine eigene Sphäre fallen, so behält der Reiseveranstalter in jedem Falle den Anspruch auf die volle Vergütung, muss sich jedoch ersparte Aufwendungen anrechnen lassen. Das ist aus § 648 BGB oder aber aus § 326 Abs. 2 BGB herzuleiten, was auf dasselbe Ergebnis hinausläuft. Da der Reisende durch den Abbruch der Reise dem Reiseveranstalter die Erbringung der weiteren Reiseleistung unmöglich macht, findet in den Fällen, in denen der Grund der Sphäre des Reisenden entstammt, § 326 Abs. 2 BGB selbst dann Anwendung, wenn man ein Kündigungsrecht des Reisenden nach § 314 BGB verneint.

 

Normenkette

BGB §§ 314, 651a, 651h

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Aktenzeichen 8 O 305/19)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 30.09.2020 - 8 O 305/19 - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung und der Anschlussberufung teilweise dahin abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 3.379,72 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.04.2019 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger buchte für die Zeit vom 25.02. bis 24.04.2018 für sich und seine Ehefrau bei der Beklagten eine Flug-Pauschalreise via Singapur nach Neuseeland und sodann via Sydney (Australien) und Singapur wieder zurück nach Deutschland. Neben Flügen und Übernachtungen waren auch Mietwagen Bestandteil des Reisepakets. Der Reisepreis für 2 Personen in Höhe von 11.590,00 EUR war vor Reiseantritt bezahlt worden.

Der Kläger und seine Ehefrau traten die Reise am 25.02.2018 an und flogen wie vorgesehen nach Singapur. Drei Tage nach Reisebeginn brachen der Kläger und seine Ehefrau die Reise ab, nachdem die Mutter des Klägers in der Zwischenzeit verstorben war. Die Beklagte gewährte dem Kläger und seiner Ehefrau eine Gutschrift von 1.218,28 EUR auf den gezahlten Reisepreis, weitergehende Erstattungen lehnte die Beklagte ab. Die Beklagte erreichte nach Rückfrage bei einzelnen Leistungsträgern, dass Kosten von Leistungsträgern in Höhe von jedenfalls 3.899,88 EUR nicht in Rechnung gestellt werden, und zwar für den Mietwagen in Neuseeland Kosten in Höhe von 3.041,28 EUR, für die Übernachtungen im Hotel A in Höhe von 336,00 EUR und für die Übernachtungen in Sydney in Höhe von 522,60 EUR. Die Entstehung weiterer Einsparungen ist zwischen den Parteien streitig.

Mit der vorliegenden Klage nimmt der Kläger die Beklagte - auch aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau - auf Rückzahlung des nach Abzug der Gutschrift verbleibenden Reisepreises (10.431,00 EUR) in Anspruch.

Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Rückzahlung des Reisepreises in Höhe von 5.800,60 EUR nebst Zinsen an den Kläger verurteilt; die weitergehende Klage hat es abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Stornierung sei zwar nicht erfolgt. Dem Kläger und seiner Ehefrau hätte aber ein Recht zur Kündigung des Reisevertrages aus wichtigem Grund zugestanden. Ein solch wichtiger Grund sei nicht nur beim Tod eines Mitreisenden - wie vom LG Frankfurt (in: NJW 1991, 498) entschieden - anzunehmen, sondern auch beim Tod eines Elternteils. In entsprechender Anwendung des Werkvertragsrechts (§ 649 Satz 2 a.F. BGB) sei die vereinbarte Vergütung abzüglich der vom Reiseveranstalter ersparten Aufwendungen geschuldet. Neben den von der Beklagten eingeräumten Einsparungen sei von weiteren 3.059,72 EUR auszugehen. Von den insgesamt festzustellenden Einsparungen von 7.018,88 EUR verbleibe nach Abzug der eingeräumten Gutschrift von 1.218,28 EUR ein zu erstattender Reisepreis von (7.018,88 EUR - 1.218,28 EUR =) 5.800,60 EUR.

Mit der Berufung erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, dem Kläger und seiner Ehefrau habe kein Recht zur fristlosen Kündigung des Reisevertrages zugestanden. Ein Rückgriff auf § 314 BGB sei nicht möglich. Nach Reiseantritt sei eine Kündigung nur mit Mängeln der Reise begründbar; solche würden aber nicht geltend gemacht. Auch § 649 BGB a.F. sei nicht entsprechend anwendbar; jedenfalls seien nach dieser Vorschrift anzurechnende Ersparnisse von der Klägerseite darzulegen, woran es fehle.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe der Berufungserwiderung.

Er erhebt Anschlussberufung hinsichtlich des abgewiesenen Teils der Klageforderung.

Die Beklagte tritt der Anschlussberufung entgegen.

II. Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg; das weitergehende Rechtsm...

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