Leitsatz (amtlich)

Eine Bestimmung in den AGB einer Internetplattform, die bei objektiver Auslegung dem Verwender das Recht vorbehält, auch vom Kunden entgeltlich erworbene digitale Inhalte zu entfernen, ist unwirksam. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Voraussetzungen, unter denen der Verwender von diesem Recht Gebrauch zu machen gedenkt, ihrerseits intransparent geregelt sind.

 

Normenkette

BGB § 307; Code de Consommation (Luxemburg) Art. L 211-2

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 20.05.2015; Aktenzeichen 26 O 324/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das am 20.5.2015 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des LG Köln - 26 O 324/14 - teilweise dahingehend abgeändert, dass die Verurteilung zur Ziff. 2 des Tenors (Abmahnkosten) entfällt und die Klage insoweit abgewiesen wird.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Dieses Urteil und das genannte Urteil des LG in der Form, die es durch vorstehende Abänderung erhalten hat, sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. Die Höhe der Sicherheit beträgt

  • hinsichtlich des Unterlassungsgebots 10.000 EUR,
  • hinsichtlich der Kosten für den Kläger 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages, für die Beklagte 110 % des aufgrund der Urteile zu vollstreckenden Betrages.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

(anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO)

I. Der als qualifizierte Einrichtung im Sinn von § 4 UKlaG anerkannte Kläger verlangt von der in Luxemburg ansässigen Beklagten, die unter der Internetadresse www.amazon.de einen Telemediendienst betreibt, die Unterlassung der Verwendung nachfolgender Klausel ihrer Nutzungsbedingungen:

"Wir behalten uns das Recht vor, Ihnen Services auf der Webseite vorzuenthalten, Mitgliedskonten zu schließen oder Inhalte zu entfernen oder zu verändern, wenn Sie gegen anwendbare Gesetze, diese Nutzungsbedingungen oder andere anwendbare Vertragsbedingungen oder Richtlinien verstoßen."

Über diesen Internetauftritt bietet die Beklagte Verbrauchern durch das Zurverfügungstellen von Kundenkonten die Möglichkeit, Waren und Dienstleistungen der Amazon-Gruppe oder von Dritten zu beziehen. Die Beklagte betreibt die Internetseite seit dem 1.7.2014; zuvor war die Amazon EU S.à.r.l. Betreiberin.

Bei der Anmeldung für das Nutzerkonto auf der Internetseite der Beklagten, das für die Bestellung von Waren erforderlich ist, muss sich der Verbraucher mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Amazon. de, die in Nutzungsbedingungen und Verkaufsbedingungen unterteilt sind (Anlage B1), einverstanden erklären.

Unter Nr. 14 der Nutzungsbedingungen heißt es:

"Es gilt luxemburgisches Recht unter Ausschluss des UN-Kaufrechts (CISG). Es wird die nicht-ausschließliche Gerichtsbarkeit der Gerichte des Bezirks Luxemburg Stadt vereinbart. Die bedeutet, dass Sie Ansprüche im Zusammenhang mit diesen Nutzungsbedingungen, die sich aus verbraucherschützenden Normen ergeben, wahlweise sowohl in Luxemburg als auch in dem EU-Mitgliedsstaat, in dem Sie leben, einreichen können."

Unter Ziffer 6 der Nutzungsbedingen ("Lizenz und Zugang") heißt es:

"Sie dürfen die Amazon Services nicht missbräuchlich verwenden."

Ziffer 7 der Nutzungsbedingungen ("Ihr Konto") lautet in den Absätzen 2 und 3:

"Sie dürfen einen Amazon Service nicht verwenden: (i) in einer Weise, die dazu geeignet ist, den Amazon Service oder den Zugang dazu zu unterbrechen, zu beschädigen oder in sonstiger Art zu beeinträchtigen, oder (ii) für betrügerische Zwecke oder in Verbindung mit einer Straftat oder rechtswidrigen Aktivität oder (iii) um Belästigung, Unannehmlichkeiten oder Angst zu verursachen.

Wir behalten uns das Recht vor, Ihnen Services auf der Webseite vorzuenthalten, Mitgliedskonten zu schließen oder Inhalte zu entfernen oder zu verändern, wenn Sie gegen anwendbare Gesetze, diese Nutzungsbedingungen oder andere anwendbare Vertragsbedingungen oder Richtlinien verstoßen."

Unternehmen der Amazon-Gruppe vertreiben auch den eBook-Reader "Kindle" und E-Books. Vom Kunden erworbene E-Books oder über den "Kindleshop" erworbene digitale Inhalte können in einer von der Beklagten angebotenen Cloud verwaltet werden.

Die Amazon EU S.à.r.l., die bis Juni 2014 die Internetseite betrieben hatte, teilte einem Kunden per E-Mail mit, dass aufgrund einer "Überschreitung der haushaltsüblichen Anzahl an Retouren in dem Kundenkonto" zukünftig leider keine weiteren Bestellungen entgegengenommen würden und das Amazon-Konto mit sofortiger Wirkung geschlossen werde. Sollte in dem Kundenkonto ein Kindle registriert sein, könnten über diesen oder über www.amazon.de/manageyourkindle die Kindle-Inhalte abgerufen werden; auf gekaufte MP3 könne weiterhin über den Cloud-Player (http://www.amazon.de/cloudplayer) zugegriffen werden (Anlage K6).

Der Kläger forderte die Amazon EU S.à.r.l. mit Schreiben vom 29.8.2013 (Anlage K7) zur Abgabe...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge