Leitsatz (amtlich)
1. Eine in einem Adoptionsvertrag aufgenommene Vereinbarung über den Ausschluss des Pflichtteilsrechts des am 1.1.1977 noch minderjährigen Adoptivkindes verlor mit Ablauf des 31.12.1977 seine rechtliche Wirkung, sofern kein entsprechender Widerspruch nach Art. 12 § 2 Abs. 2 S. 2 AdoptG erklärt worden ist.
2. Der Pflichtteilsberechtigte hat keinen Anspruch auf Wertermittlung durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen.
3. Im Rahmen des Auskunftsanspruchs müssen die Belege, die der Auskunftspflichtige vorlegen soll, im Klageantrag genau bezeichnet werden.
Normenkette
AdoptG Art. 12 § 1; AdoptG Art. 12 § 2; BGB § 2314; BGB a.F. § 1767; ZPO § 253 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 17.03.2011; Aktenzeichen 1 O 438/10) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das als "Urteil" bezeichnete Teilurteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des LG Aachen vom 17.3.2011 - 1 O 438/10, teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses des am 16.4.2009 verstorbenen Herrn C. Q. durch Vorlage eines Verzeichnisses, das im Einzelnen umfasst:
a) alle im Erbfall vorhandenen Sachen und Forderungen (Aktiva),
b) alle im Erbfall vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten (Passiva),
c) alle ergänzungspflichtigen Schenkungen, die der Erblasser zu seinen Lebzeiten getätigt hat,
d) den Wert des im Grundbuch des AG Aachen zu L., Blatt 4251, D. 15, 00000 I. eingetragenen Grundbesitzes durch Vorlage eines Gutachtens eines Sachverständigen.
Der weitergehende Klageantrag zu 1) wird hinsichtlich der beantragten Vorlage von Belegen als unzulässig verworfen und im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 20 % und die Beklagte 80 % zu tragen.
Die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens bleibt dem Schlussurteil des LG vorbehalten.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
(Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gem. § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO)
I. Die Klägerin ist die im Jahre 1968 geborene Tochter der Beklagten aus deren erster - geschiedener - Ehe. Der erste Ehemann der Beklagten verstarb im Jahre 1971. Die Beklagte war seit dem Jahre 1970 in zweiter Ehe mit dem am 16.4.2009 verstorbenen Erblasser verheiratet. Dieser adoptierte die Klägerin mit notariell beurkundetem Adoptionsvertrag vom 2.11.1972 (Urkundenrollen-Nr. 2431/1972 des Notars Dr. J. in I.). In dem Vertrag heißt es u.a.
"Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass T. [der Klägerin] beim Tod des Herrn Q. [des Ehemannes] keinerlei Pflichtteilsrechte zustehen sollen."
Mit Beschluss vom 15.12.1972 genehmigte das AG Aachen den Vertrag vom 2.11.1972 vormundschaftsgerichtlich (§ 1751 Abs. 1 BGB a.F.) und bestätigte diesen (§ 1741 BGB a.F.). Eine Erklärung nach Art. 12 § 2 Abs. 2 S. 2 AdoptG wurde vor dem AG Schöneberg nicht abgegeben. Die Eheleute errichteten am 17.12.2008 vor dem Notar S. in I. einen Erbvertrag, in dem sich die Eheleute wechselseitig zum alleinigen Erben einsetzten.
Mit der vorliegenden Stufenklage macht die Klägerin Pflichtteilsansprüche geltend.
Sie hat die Ansicht vertreten, ihr stehe ein Pflichtteilsanspruch zu, da sie nicht wirksam auf einen solchen Anspruch verzichtet habe. Die in der notariellen Urkunde enthaltene Erklärung erfülle nicht die notwendigen Voraussetzungen für einen Verzichtsvertrag; das Vormundschaftsgericht habe nur die Adoption, nicht indes den Pflichtteilsverzicht genehmigt. Zudem sei aufgrund der gesetzlichen Regelungen in dem "Adoptionsgesetz 1977" der Ausschluss des Pflichtteilsrechts unwirksam.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Klägerin stehe kein Pflichtteilsanspruch zu. In der die Adoption betreffenden notariellen Urkunde sei gleichzeitig der Verzicht auf das Pflichtteilsrecht erklärt worden. Dies sei nach dem damaligen Recht wirksam gewesen. Das "Adoptionsgesetz 1977" sei insoweit nicht anwendbar.
Das LG hat im Teilurteil vom 17.3.2011 die Beklagte im Wesentlichen hinsichtlich des Klageantrages zu 1) antragsgemäß verurteilt. Gegen diese Entscheidung richtet sich die fristgerecht eingelegte und fristgerecht begründete Berufung der Beklagten.
Mit der Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte ihr bisheriges Vorbringen. Zudem vertritt sie die Auffassung, die Klägerin besitze keinen Anspruch auf Vorlage eines Gutachtens eines "öffentlich bestellten und vereidigten" Sachverständigen.
Die Beklagte beantragt, unter Änderung des Urteils des LG Aachen vom 17.3.2011 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens.
Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Teilurteil des Einzelrichters des LG vom 17.3.2011 Bezug genommen.
II. Die in forme...